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Literaturbericht
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erschienen, habe neben ihrem Bett gestanden, mit ihr gesprochen
und ihr gesagt: „Reise sofort nach Leipzig, deine
Tochter Frieda wird sterben." Mit Mühe habe sie (die
Mutter) das Reisegeld zusammengebracht und sei sofort nach
Leipzig gereist. In der Wohnung der Tochter habe man
sie hierhergewiesen. Der Oberarzt und die Oberhebamme
konnten ihr leider nur mitteilen, daß die Tochter eine
halbe Stunde zuvor an Kindbettfieber gestorben sei.
e) Ehrung des Astronomen C. Flammarion
zu seinem 70. Geburtstage. Die Pariser Sorbonne
feierte den 70. Geburtstag des berühmten Astronomen
Flammarion, sein 50jähriges Schriftstellerjubiläum, sowie
den 25. Jahrestag der von ihm gegründeten „Astronomischen
Gesellschaft" Frankreichs. Bei der Feier hielten zehn Gelehrte
, Astronomen und Vertreter anderer wissenschaftlichen
Zweige Ansprachen, über 200 Widmungsdepeschen
aus allen Weltteilen gelangten zur Verlesung. Flammarion
wurde eine vom Bildhauer Zeitlin ausgeführte große silberne
Plakette überreicht, die den Jubilar auf seinem Observatorium
in Juvisy mit dem Planeten Mars zu seiner Linken
und mächtigen Wolken im Hintergrunde darstellt.
Literatur beri cht.
Nachstehend besprochene Werke sind zu Originalpreisen durch die Buchhandlung
von Oswald Matze, Leipzig. Lindenstraße 4, zu beziehen.
Bücherbesprechung.
Georg Sulzer, Die Willensfreiheit oder der ichbewußte menschliche Wille
und seine Entwicklung. Leipzig, Oswald Mutze, 1912. Oktav.
139 S. Preis M. 2.50, gebunden M. 3.50.
Der bekannte Züricher Kassationsgerichtspräsident a. D. versucht
in diesem seinem neuesten Buche das Wesen der Willensfreiheit
zu ergründen. In seinem weitfassenden Geiste spiegelt sich die
Welt ganz eigenartig* wieder. Er ist tiefreligiös. Sein Glaube an
einen allgütigen und allweisen Schöpfer ist der Kern seines ganzen
Denkens. Überall sieht er das Walten des allmächtigen Gottes,
von dem die Menschenseele ihre innere Ursächlichkeit erhielt. Aus
den niederen Triebkräften der Natur heraus gewachsen, wurde sie
von jenem göttlichen Führer in sich empor geführt und letzterer ist
es, der das Menschenschicksal prägt und die Menschen zwingt, im
Geiste des Weltenmeirfters sich zu höchster Vollendung empor zu
entwickeln. „Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Genügt
das eint Erdenleben nicht zur Veredelung der Seele, so läßt Gott
in seiner Allgüte die Seele nach dem Körpertode zurückkehren in
„die irdische Pflanzschule der Seelen", wie Jean Paul sie nannte,
und von neuem muß die Seele lernen, zu lieben und zu leiden.
Lieben und Leiden, das ist es* was die Seele reifen soll lassen! Im
Lieben soll sie sich läutern von tierischen Leidenschaften; im
Leiden aber das Mitleid lernen und die Hingabe an Gottes Vaterwillen
. Selbstüberschätzung, Selbstsucht und Haß, das soll das Leid
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