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448 Phobische Studien. XXXIX. Jahr- 7. Heft. (Juli 1912.)
etikettierte Fächer einzupferchen sich bemüht. Sein System mit
meiner künstlichen, absichtlichen Symmetrie macht den beklemmenden
Eindruck einer beschränkten und von allen Seiten eingeschlossenen
Konstruktion. Es lälit keinen Platz für die nicht zurück dämm bare
Ausdehnung der Wissensehaften, d. h. für die Zukunft und für den
Fortschritt. Endlich hat Kant das Vertrauen in das Vermögen
und die Fruchtbarkeit de** menschlichen Geiste* gefehlt. Er war
allzusehr damit beschäftigt, das Feld des Denkens in kleinster
Wei*e zu umschreiben, die spekulative Vernu.ift der praktischen
unterzuordnen, das Wissen zu begrenzen, ja seibat aufzuräumen,
um für den (Hauben Platz zu bekommen. Aber die Vernunft hat
Rache genommen, indem sie die starren Kähmen und scholastischen
Formen zerbrach, in welche er sie für immer einzuschließen glaubte."
Jedem mathematisch geschulten Denker ist dies Buch diingend
zum Studium zn empfehlen. Es bietet ihm festen Boden der Lodk
unter den Füßen und hält ihn von haltlosen, abstrakten Spekulationen
zurück. E. W. D o b b e r k a u.
Ueber quantitative Bestimmung der psychischen Arbeit von Dr.
Demetrius U. Nudejde, Prof. der Philosophie in Bukaiest.
Verlag Wilhelm Braumülier, Wien und Leipzig, 1912. Großoktav.
75 S Preis brosch. M. 2.--.
Das Buch „soll zum ersten Mai eine systematisch verarbeitete
tmd k;itisch geprüfte Grundlegung der Arbeitsmessung bieten''.
Soweit heute das Feld zu aberschauen ist, ,,sind wir nur imstande,
die festen Messstangen für die genauere Vermessung dieses Feldes
einzusetzen.*' Genaue mathematische Formeln zu finden, ist leidet
noch nicht möglich. Denn die geistige Arbeit ist zu vielseitig abhängig
von Charakter, Spannkraft der Seele, Anteilnahme odei
Teilnahmslosigkeit, deiselben sich kundgebend in Lust und Unlust
zur betreffenden Arbeit. E> kommen ferner in Betra< ht besondere
natürliche Veranlagung und vor allem der vorhandene Bestand
an sedliseher Arbeitskraft. Sie kann rasch aufgebraucht werden,
wenn die Arbeit nur mit Unlust geleistet wird. Den eisernen
Bestand an Arbeitskraft, die vorhanden sein muß, wenn der
Organismus gesund bleiben soll, anzugreifen , sucht letzterer dureh
Ermüdung zu verhindern, Sie i-t der Warner, den jeder Geistesarbeiter
beachten muß, wenn er nicht nach und nach in seiner
£ei»t'<i*en und körpeiliehen Leistungs'ähigkeit zurückgehen will.
Die Ermüdung hann bis zur Lähmung führen, eine tiefe Erschöpfung,
die nur sehr schwer und langsam wieder vom Organismus überwunden
wird. Der rasche oder langsame Eintritt der Ermüdung i>t
der Gradmesser für die geistige Leistungsfähigkeit, die jedem mitgegeben
ist und dit man wohl durch Uebuny: uod Gewohnheit
steigern, niemals aber durch rücksichtslose.- Draufgängertum er-
/ttinuen kann. Es wüide Letzteies sich bitter rächen ; denn schwere
Erkrankungen des Gehirnes sind die Folgen. Aber über dem allem
-t*'ht die Eindrucksfähigkeit und WiJlensspannkraft der Seele Sie
entzieht sieh der messenden, mathemathisehen Formulierun«: und
nur durch umsichtig* Beurteilung, durch psychologische ßeobai h-
tung sind wir imstande, die Spannkraft der Seele zu erforschen und
bei jedem einzelnen Menschen ihren persönlichen Wert zu beurteilen
. Sehr verändert sich natürlich alles bei Gehirnkranken.
Sie sind fast völlig von der organischen Leistungsfähigkeit
ihres erkrankten Gehirnes abhängig, sodaü es leichter ist, bei ihnen
zu bestimmten Werten der geistigen Arbeitsleistung zu gelangen.
Aus ihnen kann dann die Irrenbehandlwu sehr viel lernen, um die
Größe der Erkrankung beurteilen und bestimmte Heilmethoden
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