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546 Psych. Studien. XXXIX. Jahrg. 9. Heft. (September 1912)
Wir sehen also, daß die äußeren Verhältnisse, die
unser diesseitiges Leben beeindrucken, infolge der Weiterexistenz
als Persönlichkeit, auch unser jenseitiges Leben
noch im günstigen oder ungünstigen Sinne beeinflussen
können. Zahlreiche Spukerscheinungen sind ja auf einen
solchen Monoideismus im Sinne du PrePs, d. h. auf das
Vorherrschen eines aus dem irdischen Leben mit hinübergenommenen
Gedankens, einer fixen Idee, zurückzuführen.
Um so mehr Ursache haben wir, alles zu tun, um auch
die materiellen Verhältnisse der Menschen, auf die wir
Einfluß haben, nach Möglichkeit zu heben. Wir nützen
damit für Zeit und Ewigkeit nicht nur unseren Mitmenschen,
sondern auch uns selbst; denn das Bewußtsein, anderen
geholfen zu haben, ist ja bekanntlich das einzige, wirklieh
dauernde Glück, das einem Menschen zuteil werden kann.
Der Okkultismus begründet sonach durch den wissenschaftlichen
Xachweis eines Weiterlebens nach dem Tode,
zunächst als Persönlichkeit, die soziale Tätigkeit des Staates
und die charitative der bürgerlichen Gesellschaft. Durch
die Erkenntnis, daß jedes Leben, auch das ärmste, seine
transzendentale Ursache und seinen transzendentalen Zweck
hat, wird die Achtung vor jedem Leben gehoben und das
Verantwortiichkeitsgefühl ganz enorm gestärkt.
Die Gesinnung, die aus dem oben erwähnten Artikel der
„Staatsbürgerzeitungfe herausleuchtet, müssen wir also nicht
nur im moralischen Sinne als eine unglaubliche, unzeitgemäße
Rohheit bezeichnen, sondern auch im wissenschaftlichen
Sinne als ein Zuwiderhandeln gegen das oberste
Gesetz des Weltalls, welches verlangt, daß alle Wesen,
auch die niedersten, anf dem Wege der allmählichen Entwicklung
, ihrem ursprünglichen Quell wieder nahe kommen.
Alles, was diese Entwicklung fördert, ist als absolut
gut, was sie verlangsamt oder aufhebt, aber als absolut
schlecht zu bezeichnen.
Das Leben in der Materie aber muß als ein Mittel
zur Förderung dieses Zweckes betrachtet werden, sonst
wäre es eben nicht vorhanden. Nehmen wir einem Wesen
diese Gelegenheit zur Stärkung und Entwicklung in ihm
liegender geistiger Keime, so halten wir es in seiner naturgemäßen
Entwicklung auf und handeln gegen das oberste
Gesetz des Weltalls. „Das Leben ist eine Selbstverordnung
unseres transzendentalen Subjekts16 sagt der bedeutendste
Philosoph des Okkultismus, Freiherr Carl du Prel.
Welches vernichtende Urteil über sozialdemokratische
Gleichmacherei liegt in diesem Satze! Die soziale Lage,
in die jemand durch seine Geburt gerät, ist demnach kein
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