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Oehler: Irrwege der Philosophie Carl du Prel's. 549
Hand; die Säge der Zahnreihe; die Backen des Schraubstockes
dem Doppelgebiß; die camera obscura dem Auge;
das Klavier findet sein organisches Vorbild im kortischen
Organ, dem „Klavier im Ohre*. Die Physiologie vergleicht
die Funktionsweise der Stimmorgane mit der der Orgel.
Der Brustkasten mit der Lunge und der Luftröhre mit
dem Kehlkopfe sind technisch nachgeformt durch den
Blasebalg, die Windlade, die Pfeifen und das Ansatzrohr.
Die Nerven vergleicht man mit dem Telegraphen, das
Herz mit einem Pumpwerk usw.
Dem gegenüber aber kann man anführen, daß zwar
viele unserer Werkzeuge und Instrumente gewissermaßen
ein organisches Vorbild im menschlichen Körper finden,
aber diese zufällige Ähnlichkeit ist durchaus nicht als eine
unbewußte Organprojektion unseres Körpers zu betrachten,
sondern als eine reine Zufälligkeit. Denn wäre dies nicht
der Fall, so maßten auch alle übrigen Instrumente,
Maschinen etc. auf den unbewußten Ausdruck unseres
Geistes in Beziehung zu unserem Körper zurückzuführen
sein. Dies ist aber nicht möglich, wie bereits eine flüchtige
Betrachtung der Dingt zeigt. Zum Beispiel ist die Wirkung
des Wasserdampfes, welche im Kolben und Zylinder der
Dampfmaschine zum Ausdruck kommt, in keiner Weise am
menschlichen Körper zu finden; desgleichen der Propeller,
das Spektroskop, Mikroskop und dergleichen mehr. Carl
du Prel verweist deshalb auf die mutmaßlichen Bewohner
anderer Planeten, welche eventuell organische Einrichtunger
besitzen, die diesen Instrumenten als Vorbild gedient
haben können.
Diesen angedeuteten Weg zu beschreiten, überlasse ich
einem konfusen Mystiker, für welchen es im Reiche der
Phantasie überhaupt keine Grenzen gibt; ich selbst stehe
vielmehr auf dem Standpunkte, zunächst einmal mit
unserem klaren Verstände nach einer natürlichen Erklärung
zu suchen.
Wenn man schon zugeben muß, daß ein Teil von Gebrauchsgegenständen
und Werkzeugen ihren einstigen Ursprung
dem organischen Vorbild unseres Körpers und
seiner Einrichtung ihre Entstehung vielleicht verdanken, so
kann man aber keineswegs damit einverstanden sein, daß
dies unbewußt geschah; denn wenn z. B. die geballte Faust
als Vorbild des Hammers, die bohle Hand als Vorbild des
Gefäßes und die greifende Hand als Vorbild der Zange
gedient hat, so kaun von einer unbewußten Nachahmung
keine Rede sein, da ja betreffende Vorbilder sichtbar vor
Augen und deshalb also wohl bewußt in Aktion traten;
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