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t>70 Psych. Studien. XXXIX. Jahrg. 11. Heft. (November 1912.)
Soll das Gesetz die Philosophie oder
die Philosophie das Gesetz beherrschen?
Von Josef Schwan se, Ludgerstai (O.-Schl.).
Man scheide die Philosophie in Wort- und Tatsachenphilosophie
, prüfe jede auf die ihr innewohnende
Kraft und ihi e gesetzlich zulässige Nutzanwendung im
Wort und es wird sich zeigen , wo Wahrheit und
Recht, wo Lüge und Rechtsbeugung ist.
Aller philosophische Denkprozeß dreht sich um den
Gottesbegriff oder diejenige Kraft der Natur, der die Bildung
des Menschenschiksals unterworfen ist. Das Gesetz ist das
Korrektionsmittel der verschiedenen philosophischen Begriffsverwechselungen
über Mein und Dein, der Wert Verschiebungen
materiellen und geistigen Eigentums, der Ehre oder des
Leumunds. Alle über den Gottesbegriff, die Lebensschicksale
bildende Kraft gepflegten Dogmen zerfallen in die der
Wort- und die der materialistischen Tatsachenphilosophie.
Im Glauben der Wortphilosophie erkennt der Mensch „Gott*
in der Kraft des Wortes im Denkprozeß durch Glauben.
Die Tatsachenphilosophie-Vertretung wähnt diese Kraft
angeblich in der materiellen Tatsache, dem Worte jegliche
Kraft absprechend. Die Philosophie über den Gottesbegriff
im Gedanken, im Wort und im Glauben steht in allen
Punkten im Einklang mit dem Gesetz; sie ist der aus Wissen
entspringende Glaube der Gotteserkenntnis in den Gesetzen
der Natur. Auf Wahrheit beruht die Gerechtigkeit, auf
Lüge die Rechtsbeugung. Das Gesetz kann somit nur erfüllt
werden, wenn die philosophische Wahrheitsannahme
oder der Glaube sich mit diesem in der Erkenntnis der
Naturgesetze vereinigt. Alle Dogmen der wissenschaftlich -
materialistischen Tatsachenphilosophie lassen sich mit den
im Gesetz festgelegten Rechtsgrundsätzen nie vereinigen;
sie enthalten alle mehr oder minder schwere Gesetzwidrigkeiten
in ihrer Nutzanwendung durchs Wort der Glaubensbeeinflussung
. Diese Dogmen sind nichts anderes als wissenschaftliche
Kniffe oder Verleumdungen zur Ausschaltung
und Entwertung des Gesetzes. Ihre Nutzanwendung ist
immer von dem Bestreben geleitet, — die gesetzlichen Rechte
zum Schaden des Gerechten, aber wirtschaftlich Schwächeren
und derWahrheit zum Nutzen des Ungerechten, wirtschaftlich
Starken zu beugen.
Alle durchs Wort in Nutzanwendung gebrachten Tat-
sachendogmen sind eine Verhöhnung des Gesetzes durch
irregeleitetes religiöses Empfinden, die unerkannte Sanktion
der Rechtsbeugung zum Schaden des einen und Nutzen
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