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Friedrichsort: Innere und äußere Analogie. 19
sind dies: „Das alte Testament von Der-von-SehilohÄ
(Berlin, Th. Grieben), „Ernste Thatsaehen, Offener Brief an
Wen er packt* (Leipzig, E. Rust) und „Vergleichende
Erdkunde und alttestamentlich geographische Weltgeschichte"
(Gotha, Selbstverlag) von EL Haug. Sie sind zwar zu verschiedenen
Zeiten erschienen und tragen verschiedene Titel,
doch behandeln sie alle das gleiche Thema. Es ist keine
leichte Lektüre; aber ich muß gestehen, es sind seit langem
die interessantesten Bücher, die ich gelesen habe, und sie
verdienen wohl, einem urteilsreifen Publikum empfohlen zu
werden, wenngleich sie einem nicht gefestigten Urteile verderblich
werden können. Die Tendenz der drei genannten
Bücher ist, die Entwickelungsgeschichte eines Teiles der
jetzt lebenden Menschheit nach den Schriften des alten
Testaments, speziell den 5 Büchern Mosis, zu geben. Zugrunde
gelegt ist ihnen die von Dr. Zunz redigierte Bibelübersetzung
.
Es ist ein eigentümlich kühnes Unterfangen, auf dieser
Grundlage ein so mächtiges Gebäude errichten zu wollen;
eine einfache Überlegung schon muß es zweifelhaft erscheinen
lassen, ob es gerechtfertigt ist, bei der außerordentlich
großen Anzahl vorhandener Grundschriften eine
einzelne Auffassung als. die ursprüngliche Form der alt-
testamentlichen Schriften anzunehmen. Nehmen wir die
Zeit Josia's, etwa 620 a. Chr. als diejenige an, zu welcher die
Gesetzessammlung aufgestellt und die vorhandenen mündlichen
oder schriftlichen Traditionen niedergeschrieben
worden sind, so ist doch seitdem das Originalwerk durch
die unsicheren Vervielfältigungsniethoden jener und späterer
Zeit, durch Abschreiben mehr oder minder gelehrter
Schreiber mit ihrer Sucht, erläuternde Zusätze zu machen,
außerordentlich entstellt auf uns gekommen.
Jede neue Abschrift brachte neue Fehler hinein; wie
oft wurden ähnliche Buchstaben verwechselt, andere ausgelassen
oder versetzt — bei der Konsonantschrift der
Hebräer um so leichter möglich —, Wörter, ja ganze Sätze
übersprungen und dann später wohl auch an falscher Stelle
nachgetragen; wie oft wurden Randbemerkungen in den
Text genommen, dunkle Stellen durch neue Bemerkungen
erläutert.*) Dies alles wäre an sich ja nicht so bedeutungsvoll
; wenn man es nun aber unternimmt, unter Berücksichtigung
jedes Wortes, jeder Wortstellung einen ganz
bestimmten Sinn herauszulesen, der allem bisher Bekannten
schnurstracks widerspricht, dann erscheint solch Unter-
*) Vergl. Zittel: „Die Entstehung der Bibel."
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