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20 Psychische Studien. XXXX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1913.)
nehmen doch mehr als bedenklieh. Haug behauptet nun
Folgendes: Es bestand schon in den ältesten Zeiten der
Wanderung Abramis ein Geheimbund von Männern, welche,
von außerordentlichem Ehrgeiz beseelt, die Begründung
einer theokratischen Herrschaft anstrebten und dies mit
allen Mitteln, gleichviel welcher Art, auch durchzusetzen
imstande waren, indem sie sich besonders durch geeignete
Züchtungsversuche mit verschiedenen R&ssen endlich ein
Mischungsvolk zurecht konstruiert hatten , das ein willenloses
Werkzeug für die Verwirklichung ihrer Herrschaftsgelüste
abgab. Zur Zeit des Königs Josia wird einem besonders
befähigten Genossen des Geheimbundes aufgetragen,
die im Volke verbreiteten Sagen und Gesetzesre<*hte zu
einem tendenziös gefärbten „Buche Gottes(zusammenzustellen,
welches dann zufällig im „Hai'se des Herrn" gefunden wird
und das Mittel bildet, die schwankende Priesterherrschaft
neu zu stützen. Nun behauptet Herr Haug, jener Verfasser
der heiligen Bücher habe sich zwar dieser Aufgabe
zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber entledigt, habe aber
in versteckter und so fein verborgener Weise in diese
Darstellung eiue Kritik des Geheimbundes verarbeitet, daß
zwar dem inquisitorischen Prüfungsausschuß seinerzeit der
Verrat dieses Geheimnisses entgangen ist, daß aber einem
It la Schliemann seherisch veranlagten Leser, der nicht nur
die Worte liest, sondern in ihnen ein Schriftgemälde
entdeckt, schaut und versteht, der geheime Sinn, der da
mit Absieht hineingelegt -ei, nicht verborgen bleiben
könne.
Im Besonderen zieht er hier die vielumstrittene Stelle
Gen. 49, 10 heran. Luther übersetzt: „Es wird das
Szepter von Juda nicht entwendet werden, noch ein
Meister von seinen Füßen, bis daß der Held komme.*
Diese Ubersetzung ist nicht begründet. Das Wort „Schiloh"
Reuß übersetzt es mit „Ruhe" — also „bis die Ruhe
eintritt — ist der Name einer Ortschaft, berühmt in alter
Zeit als Wallfahrtsort, und der Sinn der Stelle bleibt daher
dunkel. Haug sagt nun, der Verfasser habe das Kommen
„des-von-Schilohtt als die Beendigung der jüdischen Weltherrschaft
mit ihrer betrügerischen Priesterherrschaft gemeint
und er berechnet dieses Kommen für eine nicht zu
ferne Zeit. In diesem Sinne benennt er auch sein Buch
„Das alte Testament von Der-von-Schilohtt als im Geiste
des zu erwartenden Siegers über das zur Zeit immer mehr
überwuchernde Judentum geschrieben
Jedenfalls ist aber das "Geheimwirken der von Haug
vermuteten Jahve - Elohim - Piätendenten meisterhaft ge-
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