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Kurze Notizen
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Hypnotiseuren gebraucht wurde, daß somit die Möglichkeit
besteht, daß er die Tat in einer Art Wachsuggestion
ausgeführt habe. Für diese Vermutung sind auch eine
Reihe von Anhaltspunkten in dem Verhalten Schottels in
der Untersuchungshaft gegeben: Er benimmt sich vollkommen
apathisch , ohne irgendwie Reue über die Tat zu
empfinden. Er gibt auch an, sich über die Beweggründe
der Tat keinerlei Rechenschaft geben zu können. Er habe
den Holzhaufen angezündet und sich sogleich nach dem
Auflodern der Flammen der Polizei gestellt. Die psychiatrische
Untersuchung ist noch nicht beendet. Mitten im
Studium hat der Untersuchungsrichter dem Dozenten Dr.
Bischolf den Akt abgenommen. Der Verteidiger des Häftlings
, Advokat Dr Bras, hat nämlich mit Rücksicht auf
Andeutungen des Untersuchungsrichters über den Geisteszustand
seines Klienten schon jetzt Einblick in die Akten
verlangt, um sich für den Prozeß vorzubereiten. Diesem
Ansuchen hat der Untersuchungsrichter Folge gegeben und
das Aktenmaterial dem Verteidiger zur "Verfügung gestellt.
Die psychiatrische Überprüfung, die selbstverständlich fortgesetzt
und zu Ende geführt werden wird, hat bisnun noch
keinerlei fixen Anhaltspunkt dafür gegeben, daß die Brandlegung
am JSordbahnhof in Befolgung eines suggerierten
Auftrages an Sehottek im wachen Zustande ausgeführt
wurde. Zu derartigen Mutmaßungen berechtigen lediglich
die festgestellten Äußerlichkeiten im Leben des Brandlegers.
Man wird also das Ergebnis der psychiatrischen Untersuchung
abwarten müssen. Die Verhandlung fand Mitte
Januar 1912 statt, bot aber kein psychologisches Interesse."
e) Der „verrückte Auerhahn* ist — so
schreibt das „Bayrische Familienblatt" vom 15. November
1912 — eine biologische Merkwürdigkeit, für die man wohl
schwerlich eine ausreichende Erklärung wird finden können.
Freilich — wenn -sie nur in der Balzzeit vorkäme, wäre
die Deutung ziemlich leicht. Aber solch tolle Burschen,
die freiwillig: und regelmäßig die Gesellschaft der Menschen
aufsuchen, gibt es gerade außerhalb der Balzzeit. Sie legen
die natürliche Scheu vollständig ab, schließen Freundschaft
mit dem Menschen, besonders mit bestimmten Persönlichkeiten
, lassen sich von ihnen streicheln, füttern oder auch
einmal schlecht behandeln, ohne ihr Zutrauen zu verlieren.
Der berühmteste aller „verrückten* Auerhähne ist jener,
der vor mehreren Jahren im Tiergarten von Schönbrunn
eingegangen ist, nachdem er seit acht Jahren alle Ornitho-
logen und Jäger beschäftigt hatte. F. Bergmiller erzählt
in seinem bei der Franckh'schen Verlagshandlung in Stutt-
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