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Friedrichsort: Innere und äußere Analogie.
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bekannt war, als Erinnerung an irgend welche bedeutungsvolle
Ereignisse. Schon aus der Fülle von palästinischen
Ortsnamen, bei fast gänzlichem Mangel genauerer Ortsbezeichnung
hinsichtlich Mesopotamiens und Ägyptens, ist
auf den Ursprung der Sagen zu einer Zeit zu schließen,
wo die Ansiedelung in Palästina bereits erfolgt war. Man
kennt jede Station, wo irgend einer der Patriarchen verweilt
haben soll, ihre Lagerplätze, die Richtung ihrer Wände-
rungen, jeden Brunnen, den sie gegraben, jeden Ort, wo sie
einen Altar errichtet oder einen Stein geweiht usw., während
man nicht einmal den Namen der Stadt erfährt, wo Joseph
Minister war, noch in welchem Winkel Mesopotamiens der
Diener Abrahams eine Frau für den Sohn seines Herrn
suchte und fand.*) Es hätte sich wohl im allgemeinen
in der Fremde die Erinnerung erhalten können, daß einer
der Patriarchen in Palästina gewesen sei, aber nur am
Orte selbst konnte die so genaue Beschreibung aller
Brunnen, Grotten, Steine und Bäume der Sage entstehen.
Dann aber kommen noch die so bedeutungsvollen Bezeichnungen
durch die Sprache selbst hinzu, die diese Auffassung
unterstützen. So gebraucht der Pentateuch für
BWest* das Wort „iam* = Meer. Weder in Ägypten, noch
am Sinai hat sich diese Bezeichnungsweise für diese Himmelsgegend
bilden können; das Wort „negeb* bedeutet überall
Süd; seine eigentliche Bedeutung ist aber ^Trockenheit,
Dürre, eine schlecht bewässerte Gegend". Wo anders als
in Palästina konnte die Identität von Wüste und Süd entstehen
?
So kam man denn dazu, die Autorschaft eines Moses
oder Josua in Abrede zu stellen und etwa einen Ezechiel
oder einen Esra als — wenn nicht den Autor, so doch —
den Redakteur der vorliegenden Sammlungen anzunehmen.
Aber was ist uns verbürgt als dessen Originalarbeit und
was als späterer Zusatz überkommen?
In der Schöpfungsgeschichte selbst, mit ihrer so
widerspruchsvollen Darstellung irgend eine stichhaltige
Entstehungsgeschichte der Menschheit oder eines Teils
derselben sehen zu wollen, wie Haug es tut, der aus ihr
eine genaue Beschreibung des Aufenthaltsorts der ersten
Menschen im Erdinnern gibt, erscheint mir nicht angängig
. Wir haben es hier mit einer Mythe zu tun, die in
ihrer ganzen urwüchsigen Naivität hingenommen werden
muß; durch jeden Erklärungsversuch schrumpft die impo-
**) Siebe hierzu und zu dem Folgenden : Eeuß, „Das alte Testament
".
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