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Friedrichsort: Innere und äußere Analogie. 93
schöner oder häßlicher Form, willkommen, wenn ich in ihr>
in der Schale, einen Kern zu finden vermag, der mir das
ehrliche Suchen des Menschengeistes nach Erkenntnis der
letzten Fragen zeigt. Diese sind: „Wer bin ich?* und „Was ist
das außer mir ?" In d i e s e r Schale entdecke ich keinen Kern;
mit gieriger Hand gräbt der Verfasser nach Schätzen und
ist froh über die Regenwürmer, die er findet. Er hat keine
Spur vom Verständnis für den Inhalt des alten Testaments
und seiner Vollendung im neuen; der Schatz, um dessen
willen wir den Schmutz seiner Umkleidung vergessen,
bleibt ihm vollkommen unbekannt; er wühlt in letzterem
und baut sich phantastische Gebilde daraus. Was ist es
denn, was wir in den biblischen Schriften besitzen? Der
Beweis der Unzulänglichkeit eines ethischen Standpunktes,
der nur Gesetzesgerechtigkeit kennt, und die
Forderung einer Wiedergeburt in der Verneinung des
Willens. Das ^aTtaQrrjCdo^oy lavxov" (Matth. 16, 24) ist
das Endergebnis, das zur Erkenntnis führt, und diese Erkenntnis
zu verwirklichen ist die Aufgabe des Mystikers.
*
Nachschrift. Als ich vor etwa 20 Jahren vorstehende
Besprechung der Werke Haug*s vor ihrer Veröffentlichung
in der „Sphinx* dem Verfasser zur Kenntnisnahme
zusandte, kamen wir in lebhafte briefliche
Auseindersetzung, in deren Verlauf ich ihm schrieb:
„Lieber Herr Haug, entweder stehen Sie so hoch über mir,
daß ich Sie nicht verstehen kann, oder — Sie sind verrückt
!" — Er erwiderte mir damals: „Ich glaube, das
Erstere ist der Fall, — warten Sie noch ein paar Jahre;
vielleicht verstehen Sie mich dann!" — Jahre sind vergangen
, vielleicht ist Hermann Haug, der seit ca. 12 Jahren
g^ßtorben ist, inzwischen der Lösung seiner Fragen näher
gekommen, vielleicht auch nicht! ? — Ich persönlich erfreue
mich jetzt noch gelegentlich der meisterhaften Darstellung
in seinen Schriften, bin aber über den Inhalt in manchen
Punkten noch entschieden anderer Meinung als er. So vor
allem in seinen rassentheoretischen Konsequenzen! Ich bin
noch der Meinung: daß die Menschheit wohl vorwärts
schreitet, daß die Menschen aber immer dieselben
bleiben! Ich halte es für vollständig unbegründet, wenn
die Angehörigen der einen Rasse auf die einer anderen
herabsehen wollen! Ich habe bei Angehörigen anderer
Rassen, auf die im Gefühle höherer kultureller Entwickelung
stolz herabzusehen Angehörige unseres Stammes sich be-
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