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* Der Traum als Wirklichkeit.
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berühmten, von Hofrat Theodor Gomperz in seinen
„Essays und Erinnerungen* (Stuttgart und Leipzig, Deutsche
Verlagsanstalt 1905) ausführlieh besprochenen „Traumbuch
", den Traum als „eine Bewegung oder Einbildung
der Seele nach verschiedenen Eichtungen, wodurch sie
etwas Gutes oder Böses voraussagt \ Porphyrius
schreibt den Traum einem guten Geist zu, der uns von dem
schlimmen Vorhaben eines bösen Geistes unterrichtet.
Heraklitus, welcher glaubte, daß die Intelligenz etwas
außer dem Menschen Befindliches sei, stellte eine Theorie
auf, wonach die Seele sich im Schlafe gänzlich von der
physischen Welt trennt. Nach Pythagoras werden die
Träume den Menschen von den in der Luft weilenden
Genien und Helden mitgeteilt. Die Stoiker behaupten, daß
jeder Traum eine besondere Bedeutung habe, und daß man
daher nach der richtigen Auslegung desselben suchen
müsse. Selbst Plato, der so viele zutreffende Mitteilungen
über den Traum hinterlassen hat, lehrt, daß man während
des Schlafes in die Zukunft schauen könne, dank der Gabe
der Prophezeiung, welche die Götter dem Menschen verliehen
hätten. Epikur und noch mehr Deniokritus („der
Lehrer der natürlichen Wahrheit*, wie ihn G. Bruno
nennt) und Aristoteles, der größte Naturphilosoph des
Altertums, machten die Träume zum Gegenstand wissenschaftlich
exakter Theorien.
Die seltsame Lehre von den Incubi und Succubi
pflanzte sich vom Orient nach dem Abendland siegreich
fort. „Incubi* hießen männliche Phantasiegebilde, mit denen
weibliche Personen im Traum Verkehr pflogen, „Succubi*
weibliche Traumwesen. Bei den Hebräern nannte man sie
Asmodeus, Haza, Lilith usw., bei den Griechen und Bömern
waren es die Sirenen, Nymphen (Dryaden, Najaden), Faune
und Satyrn, welche als Succubi und Incubi wirkten. Bei
den Orientalen nannte man sie Albedilon und Alerates. Im
Mittelalter und noch heute wurden sie bei den Christen
mit den verschiedenen Namen bezeichnet, die man noch
heute dem Teufel beilegt. —
Auch die Auslegung der Träume war, immer in
mystischem Sinne, ein Lieblingsstudium der Griechen, wie
der Orientalen; Gelehrte, Ärzte lauschten ebenso, wie die
Leute aus dem Volke den Worten der Traum de uter,
welche zu jener Zeit einen hohen Bang in der Gesellschaft
einnahmen. Der Glaube an den prophetischen Wert der
Träume war im Altertum allgemein. Die Bücher der
Chaldäer, die nordischen Sagen, die Bibel, die an einigen
Stellen die abergläubische Auslegung der Träume verwirft,
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