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138 Psychische Studien. XXXX. Jahrg. 3. Heft. (März 1913.)
sondern auch mit dem (Jeiste anderer Personen und vermutlieh
auch mit einer ausgedehnteren Welt.
Wie umfangreich diese Welt möglicherweise sein mag,
läßt sich aus den Berichten entnehmen, welche wir über
Gedankenübertragung und über die im hypnotischen Zustand
auftretenden Clairvoyanee besitzen. Und wenn wir
über die Zustände künstlicher Hypnose hinausgehen und
Zustände der Abstraktion, die in gewissen Personen durch
Krystallschauen und durch automatisches Schreiben hervorgerufen
werden, in Betracht ziehen, so *de den Trance
gewisser Somnambulen und Medien mit ihren bereits erwähnten
clairvoyanten Fähigkeiten, so wird man sich, wofern
man den Berichten Glauben schenkt zu der Annahme
veranlaßt fühlen, daß das subliminale Leben Ausblicke und
Zugänge gewährt, welche es (wenigstens bei manchen Personen
) m einen Verkehr bringt, dessen Kanäle sich unserer
Beobachtung gänzlich entziehen, mit einer ins Unendliche
sich erstreckenden Begion einer Welt der Wahrheit.
Das Wagnis, welches Myers hier unternimmt, besteht
in der Verallgemeinerung seiner Schlüsse. Die konservative
Kritik, welche in toto die Tatsachen nicht leugnet, würde
sie höchst wahrscheinlich als pathologische Anfälle von
Idiosynkrasie bezeichnen. Sie würde dagegen protestieren,
daß man sie als Offenbarungen der Konstitution der
menschlichen Natur im allgemeinen behandelt. Myers hingegen
betrachtet sie als solche Offenbarungen, und erwägt,
daß die Subjekte ihre Idiosynkrasien eher in dem zeigen,
was sich der Beobachtung darbietet, als in dem, was sich
ihr verbirgt.
Er wurde so auf die Idee eines subliminalen Lebens
geführt, das der menschlichen Natur im allgemeinen eigentümlich
ist und das seine eigene unendlich ausgedehnte
Umgebung hat, welche von jener, mit welcher unsere leiblichen
Sinne ihr* Beziehungen aufrecht erhalten, abgesondert
ist.
Diesem subliminalen Leben gegenübergestellt, und in
schroffem Gegensatze mit ihm, finden wir das normale Bewußtsein
, das ursprünglich mittels der Sinne mit der materiellen
Welt in Verkehr steht und im Besitze von konzen-
trativen und mnemonischen Fähigkeiten ist, welche im
Vergleich mit jenen des subliminalen Bewußtseins als ganz
unerheblich erscheinen. Das normale Bewußtsein erweist
sich demnach nur als ein Teil unseres Wesens, der vornehmlich
den irdischen Verhältnissen angepaßt ist. Jene
mehr unmittelbar intuitiven Fähigkeiten („more directly
intuitive faeultiesÄ), welche ihm mangeln und wovon wir
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