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Kaindl: Die menschliche Psyche ein Doppel-Wesen.
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jeder Mensch im Besitze eines solchen sei, und daß die
Schöpfungen des Genies insgesamt in ihm ihren Ursprung
haben. Und ebenso scheint er auch den ,Phantasms( eine
zu große Ausdehnung zu geben, wenn er eine ganze
kosmische Umgebung mit Geistern erfüllt, die alle fähig
sind, Phantasmen hervorzubringen. Wie zwischen dem
individuellen Subliminalen und der kosmischen Umwelt,
dürfte er auch hier die Scheidelinie nicht richtig gezogen
haben. In manchen seiner hervorragenden (Äpalmarytf)
Phänomene mag mehr des „dissolutiven* Subliminalen enthalten
sein und weniger von dem „Geist1*, den er darin
vermutet. Hingegen mögen die Automatismen tatsächlich
das sein, wofür er sie hält, nämlich Botschaften, welche die
subliminale Region der supraliminalen übermittelt.
Die Mangelhaftigkeit, welche mir in Myers' Ansicht
über das subliminale Leben am meisten fühlbar wird, ist
ihr Versagen in einer angemessenen Begründung der Tatsache
, daß es so unterschiedslos der Ausgangspunkt sowohl
der evolutiven, wie auch der dissolutiven Phänomene ist. Die
parasitischen (schmarotzerhaften) Ideen der Psycbo-Neurose,
die fiktiven Personifikationen des Planenette-Schreibens
und der Mediumschaft residieren hier zusammen mit den
Inspirationen des Genies, mit den Vermögen der Telepathie
und der Telästhesie und mit der Empfänglichkeit für echte
Geisterkontrolle. Myers fühlte den paradoxen Charakter
eines solchen Beisammenseins und machte behufs Verminderung
der Schwierigkeit wie gewöhnlich die Suggestion
dafür verantwortlich.
,,Man darf erwarten,14 schreibt er, „daß supernormale
Lebensphänomene sich so weit als möglich durch dieselben
Kanäle als abnorme oder morböse (krankhafte) Lebensphänomene
manifestieren werden, wenn dieselben Nervenzentren
und Synergien benützt werden. —
Wenn es in uns ein sekundäres Selbst gibt, das durch
physiologische Mittel Manifestationen bezweckt, so erscheint
es wahrscheinlich, daß sein nächster Weg der Objektivierung
— sein bequemster Ausweg für eine sichtbare Wirkung —
oftmals in der Richtung liegt, welche sich durch den Auflösungsprozeß
der Krankheit bereits als eine solche des geringsten
Widerstandes erwiesen hat längs einer Ebene der
Spaltung, welcher zu folgen die Dissoziationen unserer
psychischen Synergien sich schon geneigt gezeigt haben"
(Vol. II, p. 84).
Diese Auffassung ermangelt jedoch der Klarheit. Gibt
es drei Zonen dos subliminalen Lebens, wovon die innerste
dissolutiv, die mittlere erhaben (die Zone der Genialität, der
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