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Wenzel-Ekkehard: Eine Identifizierung. 147
die Zusammensetzung mit ärztlichen Fach ausdrücken
diktierte.
Dieser unsichtbare Arzt leitete stets die Sitzungen und
versetzte das Medium in Tiefschlaf. Nicht selten sprach
er direkt zu uns durch den Mund desselben und wir
konnten ihn befragen. Dabei kam es einmal zwischen ihm
und Dr. med. Visani-Seozzi zu einer wissenschaftlichen
Auseinandersetzung in Fachausdrücken, wobei der letztere
durchaus den Eindruck hatte, als spräche er mit einem
Fachgenossen. Zu bemerken ist, daß das Medium von Beruf
Nähterin ist und daß ihre einfache Bildung ihr niemals
gestattet haben würde, ein Gespräch aus Eigenem zu führen.
Wir alle kennen Frl. E. zu gut und zu lange und wissen
darum, daß ihr eine solche Diskussion nicht zugemutet
werden konnte.
Nachdem sich einmal die Eigenschaft des Hellsehens
bei ihr eingestellt hatte, kam es auch vor, daß sie andere
Gestalten bemerkte, mit denen sie, wenn sie ihr sympathisch
waren, sich einließ, nicht ohne Schwierigkeiten Worte
wechselte, öfter aber vermittels des Tisches sich unterhielt.
In einer Sitzung sah das Medium ein ihm gänzlich
unbekanntes, zierlich gebautes Mädchen von etwa zwölf
Jahren erscheinen. Wir ließen fragen, wie sie hieße. Sie
antwortete: E v e 1 i n a. Das Medium hatte zwar eine
Evelina gekannt, behauptete aber, diese sei ihr nicht erschienen
. So baten wir denn die Neuangekommene, uns
Aufschluß über sie zu geben, besonders da das Medium angab
, sie nicht zu verstehen. Auf tvptologischem Wege erhielten
wir nun die Antwort: „Ich bin in Brianza gestorben,
will aber nichts weiter mitteilen, weil meine Angehörigen
noch am Leben sind.* Eine Dame unseres Zirkels rief aus:
„Es wird vielleicht ein Bauernmädchen sein!*, worauf der
Tisch sich heftig bewegte und das Medium bemerkte, daß
die Erschienene sioh beleidigt fühle. Tatsächlich meldete
auch der Tisch: „Nein, ich bin keine Bäuerin!* Mehr war
aber nicht aus ihr heraus zu bringen.
In den folgenden Sitzungen war Evelina, vom Medium
gesehen, immer stumm anwesend. Auf unsere fortgesetzten
inständigen Bitten entschloß sie sich zu einer weiteren Mitteilung
über ihre Persönlichkeit. Das Medium teilte mit,
daß sie sich dem Tischchen nähern, und in ihrem eigenen
Alpabet wurde uns Folgendes diktiert
„Eva, Tochter des Ernest Canesi und der Julia Scottf.
Ich wohnte Torre Villa in Brianza; meine Leiche wurde
auf dem Kirchhofe in Monza in der Familiengruft beigesetzt
. Ich starb am 2H. September 1904 an Schwind-
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