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Friedrichsort: Eine Erinnerung.
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Knabe war, und ich übernahm es, das Geld für sie auf die
Sparkasse zu legen. Das war nun allerdings zwecklos; denn
als ich kurz darauf drei Monate nach Mexiko und Westindien
gefahren war, kam die gute Frau Sch. jede Woche zu meiner
Frau gelaufen und borgte sie k conto ihres Sparguthabens
an, so daß ich nach meiner Rückkehr ihr das Sparkassenbuch
zur eigenen Verwaltung übergab. Wir hatten sie dann
öfter als Gast bei uns zu Hau&e; sie war eine kluge und
überaus gute Frau, die bereitwillig half, wo sie nur konnte.
In übersinnlichen Fragen waren wir, sie und ich, selten
gleicher Meinung. Die Dispute waren ganz eigenartig! Wir
stritten zum Beispiel über irgend ein Thema; mitten im
Gespräch fiel sie in ihren Stuhl zurück, schloß die Augen
und begann: „Sag* ihm.....tt usw. wieder in gebundener
Form und nicht selten entgegen ihren eigenen Ausführungen
mei ne Ansicht bestätigend. Ein junger Hamburger
Beamter, sehr guter Stenograph, hat um Weihnachten
herum eine solche Rede von ihr niedergeschrieben, als ich
meine Bedenken wegen meiner unbefriedigenden Anstellung
äußerte:
„Sorg' nicht! Blicke nicht grübelnd hinaus,
Wenn du schläfst, fällt dir das Glück ins Haus.
Mußt nur mit vollem Vertrauen
Auf die Güte des Vaters bauen!
Nicht grübeln! Genieße die Gegenwart,
Und das Herz laß dir nicht werden hart!
Achte wohl auf Gedanken und Mund,
Ob Wort und Urteil rein und gesund.
Darfst nicht bitter und höhnisch werden,
Sieh! Viele haben noch wen'ger auf Erden !
Mut und Vertrauen in eigene Kraft
Dir innerlich reiches Leben schafft,
Und ein gütiges Lächeln für alle andern —
Dann wirst du zufrieden durch's Leben wandern.
Ich muß gestehen: So interessant so eine Trancerede
war, — der „Bruder Benediktus"-Schluß stieß mich wieder
ab! Das schien mir zu sehr Mache! Und so bin ich aus
all den vielen gereimten Mitteilungen nicht überzeugt
worden, daß hier ein übersinnliches Wesen sich äußere, so
sehr auch der Anschein dafür sprach. —
Im März 1910 kam Folgendes: Ich saß eines Vormittags
in meinem Büro, als jener junge Mann, den ich eben erwähnte
, zu mir kam: „Frau Sch. läßt Ihnen sagen, wenn Sie
Ihre Mutter noch mal lebend sehen wollten, müßten Sie vor
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