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160 Psychische Studien. XXXX. Jahrg. 3. Heft. (März 1913.)
nicht ein gemeinsames Trauma steckt (vgl. den Traum von
Beta Nr. 544 und den Traum seines Bruders Nr. 552).
Ähnliche Phänomene in geringerer Deutlichkeit habe
ich bei anderen Geschwistern und Ehepaaren beobachtet.
Ich habe die Vermutung, daß sich gewisse Affekte auf
telepathischem Wege übertragen können. —
Einen „falschen" telepathischen Traum, den ich bei den
Todessymbolen schon besprochen habe, teilt mir eine Dame
mit (Traum Nr. 397). Sie schreibt mir:
„Vor Jahren war ich mit meiner 17 jährigen Tochter,
Pianistin, während der „Saison" in London, wo wir im
Hause meines Schwagers wohnten. Nun wurde ich aber
vor Schluß der Saison abgerufen. Obwohl meine Tochter
bei der Schwester meines Mannes gut aufgehoben war, ließ
ich sie doch nicht gerne zurück. Bevor ich abreiste, hatte
ich folgenden Traum:
(578.) „Ich ging mit meiner Tochter und einem bekannten
Fräulein im Hydepark spazieren , da kam uns von weitem ein
Herr entgegen, gehüllt in einen schwarzen Pelz, die gleiche
Pelzmütze tief in die Stirne gedrückt. Als er näher kam, schlug
er den Pelz ein wenig auseinander, es war der Tod. (Schon
trüher hatte ich eine unbestimmte Furcht: nun aber versuchte
ivh voller Entsetzen meine Tochter auf den anderen Weg in die
Nebenallee zu drängen; endlieh gelang es mir, mit Hilfe des
Fräuleins sie in dem Moment auf den anderen Weg zu bringen,
als der Tod knapp mit einem bösen Blick auf mich vorüberging.
Ich atmete erleichtert auf und erwachte.
Zur gleichen Zeit lag meine Mutter krank zu Bett in Wien.
Eines Morgens, als sie erwachte, bat sie meine Schwester voll
Angst, sofoit nach London zu schreiben, sie hätte geträumt, es
stehe meiner Tochter ein Unglück bevor. Meiner Tochter ist
jedoch nichts »Schlimmes zugestoßen"
Es waren offenbar gleiche Gedankengänge der Besorgnis
, welche die gleichen Träume hervorgerufen haben.
Einen einfachen telepathischen Traum kann ich von
meiner Mutter berichten. Sie wachte eines Morgens auf
und sagte: „Merkwürdig! Ich habe heute von Onkel J.
geträumt. Zehn Jahre vielleicht habe ich an ihn nicht gedacht
und plötzlich träumt mir, daß er gestorben ist/' Wer
beschreibt unser Erstaunen, als uns a*m nächsten Tag ein
Brief das traurige Gesicht bestätigte. Der Onkel war in
dieser Nacht gestorben. —
Ein interessanter Vorfall in meiner Familie hat zahlreiche
Zeugen. Eines Morgens kam die Amme meiner
Tochter weinend ins Zimmer. Sie hätte einen bösen Traum
gehabt. Ihr Kind sei schwer erkrankt und liege im
Sterben. Sie müsse nach Hause reisen. Sie ließ sich nicht
zurückhalten. Meine Tochter war damals schon im achten
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