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Kurze Notizen.
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psychologische, welcher er den Nachweis der psychologischen
Subjektivität und Anthropomorphität aller unserer Vorstellungsweisen
und Grundbegriffe des Erkennens entgegenstellte
; und die erkenntnistheoretische, der gegenüber er die
logische Fehlerhaftigkeit feststellte, die in jedem Schluß
liegt, der aus der Herkunft und Entwickelungsgesehichte
eines Erkenntnismittels auf dessen Erkenntniswert in irgend
welcher Beziehung schließen zu dürfen glaubt. Die Folgerung
des Skeptizismus aus der subjektiven und anthro-
pomorphen Entstehung unserer sogenannten objektiven
Welt ist also nicht stichhaltig; sie wird vielmehr durch die
tatsächliche Erfahrung widerlegt, welche die Möglichkeit
objektiver Erkenntnib erweist. Aus diesen kritischen Erörterungen
folgerte der Redner, daß der Anthropomorphis-
mus in der Wissenschaft also nicht nur berechtigt, sondern
unumgänglich sei, unbeschadet ihrer Objektivität. Ferner,
für die Frage nach den Grenzen, d. h. der Rückbildungs-
möglichkeit, bezw. -Notwendigkeit des Anthropomorphismus
in der Wissenschaft: daß die Rückbildung niemals eine
absolute, sondern nur eine graduelle sein könne, und zwar,
laut Ausweis der schon vorwissenschaftlichen Entwickelung
unseres Weltbildes, eine auf den verschiedenen Gebieten
der Realität verschiedengradige. Die Wissenschaft hat
diese graduell verschiedene Rückbildung nur zu verfeinern
und fortzubilden, nicht aber diese Verschiedenheit aufzuheben
. Der Schein, als ob Letzteres die Aufgabe der
Wissenschaft sei und als ob letztere die Realität umsomehr
erfasse, je allgemeineren und einheitlicheren Gesichtspunkten
sie dieselbe unterzuordnen vermöge, entspringt nur einer
Verwechselung zweier ganz verschiedener, an sich gleich
berechtigter wissenschaftlicher Methoden, von denen nur
die eine die wirkliche Realität in ihrer ganzen mannigfaltigen
Abstufung immer feiner zu erfassen vermag,
während es der Zweck der anderen ist, die Realität durch
ihre Unterwerfung unter immer allgemeinere Einheiten und
Gesetzmäßigkeiten für den Menschen beherrschbar zu
machen. Auch der Grad der Rückbildung des Anthropomorphismus
ist daher niemals ein absoluter Maßstab für
den Grad der Annäherung des Erkennens an die Realität
Ersterer ist vielmehr immer nur empirisch zu bestimmen,
ebenso wie der Umfang des Teiles der Realität, der sich
einem Begriff oder einer Vorstellungsweise von bestimmtem
Grad des Anthropomorphismus unterwirft. Redner schloß
mit dem Hinweis, daß so auch die Philosophie ein Beweis
für das allgemeine Gesetz geistiger Entwickelung sei, daß
dieselbe von einer naiv - unbewußten über eine kritisch-
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