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194 Psychische Studien. XXXX. Jahrg. 4. Heft. (April 1913.)
Seit 12 Jahren bedient sich Edison desselben und die ersten
wissenschaftlichen Kapazitäten jenseits des Ozeans haben
dem Hellseher anerkennende Artikel in der Presse gewidmet.
Professor Reese — selbst ein wohlhabender Mann —
machte mich darauf aufmerksam, daß er niemals seine Gabe
gegen Entgelt oder profe«sionsmäßig ausgeübt habe. Auf
meine Frage, warum er nicht den Vertretern der offiziellen
Wissenschaft in Europa sich zur Verfügung gestellt hätte,
gab er eine für dieselben wenig schmeichelhafte Antwort:
Amt und Titel seien nicht gleichbedeutend mit wirklicher
Intelligenz. Er habe im Leben andere Aufgaben zu erfüllen,
als törichte Einwendungen zu widerlegen, und sich über den
Mangel an Mut und Charakterstärke zu ärgern, der leider
bei Gelehrten in Europa zu oft angetroffen werde.
Da die mir zur Verfügung stehende Zeit nur kurz bemessen
war, ging der interessante Amerikaner sofort in
median res: „Haben Sie zufällig einen an Ihre Adresse gerichteten
Brief bei sieh?* fragte er mich. Ich bejahte und
gab ihm auf Feinen Wunsch ein beschriebenes Kouvert, aus
dem er mit einem Messer fünf Zettel zuschnitt.
„In welchem Monat sind Sie geboren?" Antwort: „Im
Monat Mai." Er: „Jetzt schreiben Sie auf den ersten
dieser Zettel den Vornamen Ihrer Mutter und auf die
übrigen Zettel vier Fragen. Ich verlasse inzwischen das
Zimmer und komme erst zurück, wenn Sie fertig sind und
die Papierstücke ganz zusammengefaltet haben/ Professor
Reese begab sich dann durch einen Vorraum, der das Zimmer
vom Gang trennte, auf den Korridor, Zwei geschlossene
Türen lagen zwischen uns. Niemand außer mir befand sich
im Zimmer. Ich schrieb auf den ersten Zettel den Vornamen
meiner Mutter „Metau, auf den zvTeiten: „Wann
kommen Sie nach Deutschland?, auf den dritten: „Wird
mein Buch (an dem ich gegenwärtig arbeite) Erfolg haben?"
Der vierte Zettel enthielt eine ganz persönliche Frage, die
ich hier übergehe. Die fünfte Frage lautete: „Wie heißt
mein ältester Sohn?" Sämtliche Zettel wurden in Briefform
zusammengefaltet, und lagen vor mir auf dem Tisch, als
Prof. Reese das Zimmer wieder betraf. Auf seine Aufforderung
schüttelte ich die Zettel durcheinander.
Er ergriff dann aufs Geratewohl eines dieser Briefchen
und verbrannte dasselbe vor meinen Augen mit einem
Streichholz, ohne es zu öffnen, während ich drei der übrigen
nicht von ihm berührten Zettel auf seine Aufforderung in
drei verschiedene Westentaschen steckte, und das letzte
Briefchen in meine zur Faust geballte rechte Hand nahm.
Nachdem er sodann auf einer zufällig auf dem Tisch liegenden
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