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202 Psychische Studien. XXXX. Jahrg. 4. Heft. (April 1913.)
einigen Stunden, der Zustand von selbst aufhört, und sie
wieder in ihren Wachzustand zurückkehrt; bei öffentlichen
Vorführungen ist dies natürlich nicht angängig, und es
wird dann dadurch der normale Zustand wiederhergestellt
und die Arbeit unterbrochen, daß man ihr das Arbeitsmaterial
wegnimmt, worauf sie bald wieder waehbewußt
wird. Ein gewaltsames Erwecken würde jedenfalls in gesundheitlicher
Beziehung sehr nachteilig sein. —
Ferner ist noch darauf hinzuweisen, daß die Malereien
in der Regel mit einem fremden Namen, Conrad von
Ramsavi, oder dessen Initialen C. v. R., und den Jahreszahlen
1806 bis 1910, bezw. 1911, bezw. 1912 unterzeichnet
werden, und zwar ebenfalls in diesem unbewußten Zustand.
Dieser wäre demnach als der eigentliche Künstler anzusprechen
, wenigstens wenn wir uns auf den Standpunkt
der Dame selbst stellen, die unter dem Eindrucke steht,
von diesem nicht mehr in Fleisch und Blut lebenden Maler
beeinflußt zu werden. Dieser hat durch Schreiben und
Sprechen mitgeteilt, daß er im Jahre 1806, in seinem
27. Lebensjahre stehend, in Italien gestorben sei; er sei
französischer Abstammung und sei, seiner Lieblingsneiörung
folgend, gegen den WillÄ der Eltern nach Jtali£ ge^f,
um sich dort in der Malerei weiter auszubilden, und dann
bei einer Bootsfahrt verunglückt. —
Dieser Fall einer Mal-Mediumschaft ist aus verschiedenen
Gründen besonders interessant. Zunächst deshalb, weil
hier ein vollständiger Tieftrance-Zustand vorliegt, während
das Bewußtsein der sonstigen Malmedien oder Traum-
Malerinnen in der Regel nur mehr oder weniger getrübt,
aber nicht vollständig aufgehoben ist. Ferner ist die außerordentlich
schnelle Entwicklung hier beachtenswert; denn
die ersten Arbeiten sind in Form und Farbe sehr einfach
gehalten, aber schon nach wenigen Monaten wurden
Malereien in solcher Mannigfaltigkeit und Farbenschönheit
angefertigt, daß Künstler und Kunst sachverständige ihr
größtes Erstaunen hierüber aussprachen. Hierzu hat besonders
auch der Umstand beigetragen, daß von Frieda
Gentes nicht nur Farbstifte, wie bei anderen Malmedien,
benutzt werden, sondern auch farbige Bronzen und Tinten,
wodurch eine bedeutend größere Mannigfaltigkeit und Feinheit
der Ausführung erzielt wird. Außerdem bietet diese
Erscheinung insofern noch ein besonderes Interesse, als
die Dame auch hellhörend ist, und bei ihr auch das Hellsehen
sich spontan einstellt. Einige Beispiele mögen dies
illustrieren. Eines Tages erzählte ich ihr, daß ich den
Besuch einer fremden Dame gehabt hätte, die Frl. Gentes
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