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Kämpfer: Frieda Gentes, ein vielseitiges Medium. 205
eines Gegenstandes, den ein Kranker getragen hatte, genügte
, um die Krankheit richtig zu erkennen. ALs sehr
interessant ist hier noch zu erwähnen, daß sich bei solchen
Krankheitsdiagnosen meisten«* gleichzeitig das Hellhören
einstellt, indem sie dann auf diesem Wege den Sitz und
die Ursache der Krankheit vernimmt, wobei sie sogar
fach wissenschaftliche Ausdrücke hört, die ihr vollständig
unbekannt sind, da sie sich niemals mit medizinischen
Studien beschäftigt hat und über keine anatomischen,
physiologischen und pathologischen Kenntnisse verfügt.
Aus ihrem eigenen Bewußtsein können also die Botschaften
nicht kommen, und daher wird wohl der genannte Maler,
der, bevor er sich der Malkunst zuwandte, wie er mitgeteilt
hat, Medizin studiert hat, der geistige Botschafter sein.*)
Mit dem erwähnten Empfinden von Krankheiten hängt
die weitere Fähigkeit zusammen, daß Frieda Gentes bei
Berührung von Gegenständen, z. B. Briefschaften, Schmuckgegenständen
usw., welche von ihr ganz unbekannten Personen
stammen, diese nach ihrem Charakter, ihrem Temperament
usw. genau beschreiben kann, zuweilen sogar noch andere
auf die Person bezügliche Umstände und Verhältnisse zu
schildern imstande ist. So gab z. B. Herr Dr. Hennig ihr
eine mit einigen Worten beschriebene Adreßkarte, welche die
Dame unbesehen in die Hand nahm. Sie hatte darauf den
Eindruck, sich in einer Studentenkneipe zu befinden; sie
hörte lautes Gläserkiirren und Singen von Studentenliedern.
Herr Dr. Hennig sagte darauf, daß die Karte von einem
Herrn stamme, von dem er sie vor neun Jahren erhalten
habe und mit dem er früher als Student zusammen gekneipt
habe. Ferner sagte Frl. Gentes, daß sich der betr.
Herr jetzt in einer entfernten Stadt aufhalte, die kleine
Häuser und enge und schmutzige Straßen habe; auch
das war zutreffend, denn der Herr wohnt jetzt in Konstantinopel
: Fräulein Gentes wußte natürlich von alledem
nichK
*) Wenn auch die spiritistische Arbeitshypothese in obigem
Fall recht wahrscheinlich und diskutabel klingt, so scheint uns
doch die schon oft bewiesene Annahme einer latenten Rück-
erinnerung an zufällig Gelesenes oder Gehörtes, also Krypto-
m n e s i e vorerst dabei näher zu liegen, wie sie ja Prof. Flournoy in
Genf bei seinem Medium Helene Smith mit so viel Scharfsinn bei
ähnlichen Fällen nachgewiesen hat. Man erinnere sich auch an den
schon früher erwähnten Fall, wo in einer Klinik ein völlig kenntnisloses
Dienstmädchen in ihren Fieberdelirien hebräische Worte
deklamierte, wobei sich nachher herausstellte, daß hie früher bei
einem protestantischen Pfarrer gedient hatte, der hebräische Bibeltexte
(Psalmen) in seinem Garten, wo sie Wäsche aufhängte, laut
sich selbst vorzulesen pflegte. — Red.
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