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Kaindl: Die menschliche Psyche ein Doppel-Wesen. 217
aufgespeichert lag, doch ihnen zurzeit nicht bewußt war.
Es machte, wie sich damals jemand äußerte, den Eindruck,
als wäre sie bemüht, einen Papierkorb zu durchstöbern,
der voll von alten Briefen steckte, wovon viele zerrissen
und verwischt wären, viele Unleserliches enthielten, andere
aber wieder manches, was einen klaren Einblick in zwar
vergessene, aber nichtsdestoweniger unzweifelhafte Tatsachen
gewährte.
Im Jahre 1890 bildete es für uns die Hauptfrage, ob
die Erinnerungsfragmente bloß von den Lebenden stammen,
oder ob nicht auch für die Gedächtnisresiduen der Verstorbenen
ein ähnliches Reservoir vorhanden war, woraus sie schöpfte.
Die erlangten Resultate scheinen mir die letztere Annahme
zu rechtfertigen, ohne uns zu weiteren Zugeständnissen zu
verpflichten.
Wer die Berichte von Hodgson und Hyslop gelesen
hat, welche ihrer Voiaminosität halber sich hier nicht
wiedergeben lassen, dem muß unbedingt der fragmentarische,
unklare und verworrene Charakter der Kommunikationen
aufgefallen sein Professor Hyslop spricht offen von ,ent-
körperten Geistern', welche verschiedene Grade von geistiger
Klarheit bezw. Verwirrung darbieten und die bisweilen in
Delirium, A utomatismus oder vollstände Ohnmacht verfallen.
Diese unleugbare und befremdliche Verwirrung sucht Myers
durch die Neuartigkeit der Bedingungen zu erklären, unter
welchen ein Geist ein ihm fremdes Gehirn benützt. Eine solche
A nnahme scheint aber den Tatsachen kaum zu entsprechen.
Das Auffallendste ist, daß es den sich mitteilenden
Geistern die größte Schwierigkeit zu bereiten scheint, das
zu erfüllen, was behufs ihrer Identifikation das erste Erfordernis
wäre, nämlich ihren Namen anzugeben. Dies
erscheint kaum denkbar, wenn die Schwierigkeit bloß auf
die UnVollkommenheit der Kommunikationsmittel beruht;
es deutet vielmehr darauf hin, daß man sich inbezug auf
den Ursprung der Botschaften in Unklarheit befindet.
Dagegen erscheint es nach der Hypothese, daß die Botschaften
aus zweiter Hand kommen, vollkommen faßlich.
Wenn wir uns ein menschliches Wesen aus den Aufzeichnungen
, wie sie sich in einem alten Tagebuchc von ihm
vorfinden, rekonstruieren und dramatisch darstellen wollen,
so werden wir finden, daß das Schwierigste dabei die
Wiedergabe seines Namens ist.
Und mich däucht, daß sich die sekundäre Persönlichkeit
der Mrs. Piper in ungefähr derselben Lage befindet, indem
ihr Anhäufungen von irdischen Erinnerungen zugänglich
sind, aus denen sich die Namen ihrer einstmaligen Träger
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