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218 Psychische Studien. XXXX. Jahrg. 4. Heft. (April 1913.)
kaum ermitteln lassen, so daß sie sich auf bloße Mutmaßungen
angewiesen sieht, wobei sie von den Trägern
der Erinnerungen in keiner, von den Empfängern der
Botschaften hingegen in hervorragender Weise unterstützt
wird. Der allgemeine Geisteszustand der Kommunikationen
deutet ferner darauf hin, daß sich die Erinnerungsgruppen
in einem Zustande der Auflösung befinden. — Die Unklarheit
und Zusammenhanglosigkeit, die in ihnen vorwalten,
sind wir gewöhnt, als die sicheren Vorläufer eines end-
giltigen Zerfalls zu betrachten.
Dies sind die Konsequenzen, welche ich aus Myers'
,Human Personality* gezogen habe. Myers selbst würde sie,
wie ich befürchte, als eine vollständige Kegation seiner
Hoffnungen und als eine tatsächliche Ablehnung seines
Lebenswerkes aufgefaßt haben. Mir erscheint dies nicht
so. Mir stellt sich die Persönlichkeit hauptsächlich als
eine Beschränkung dar, als eine, mich von allen anderen
Wesen streng absondernde Schranke. Für den Großteil
der Mensehen bedeutet die Persönlichkeit ein durch Umstände
verkümmertes, durch Sünde beflecktes, durch ererbte
Makel entstelltes Wesen ohne anscheinende Hoffnung auf
Heilung. Es ist eher zu hoffen als zu befürchten, daß die
Auflösung des Körpers auch eine solche der geistigen Kruste
bedeutet, weil das uns allen innewohnende Ewige dadurch
einen freien Spielraum erhält. Das hauptsächlichste Verdienst
von Myers besteht darin, uns gezeigt zu haben, daß wir
durch das subliminale Selbst sogar in diesem Leben mit
dem Unendlichen, das keine bloße Vermutung ist, in Berührung
kommen,*) und daß der Mensch, wenn auch nur
unvollkommen und vereinzelt, Spuren von Kräften und
Fähigkeiten zeigt, welche seine irdischen weit überragen.
(Schluß folgt.
*) Dies hat schon Prof. Daumer getan. (Man sehe 8 6.) K
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