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Literaturbericht.
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Naturphilosophie als das verbindende Glied der Kette, welche mit
Herder beginnt und über Goethe zu Schelling uud Schopenhauer
führt. In Gegensatz zu dieser Eichtling tritt Herbart mit seinem
Bestreben, vor allem die Erfahrungsbegriffe von Widersprüchen zu
befreien, mit der Einführung seiner etwas schwer begreiflichen einfachen
Keaien mit ihrer gegenseitigen Störung und Selbsterhaltung;
neben ihm Ludw. Feuerbach, dem" die Philosophie die Lehre von
dem sinnlich Gegebenen ist, der aber dabei die Atomistik, wie die
Mechanistik im strengen Sinne abweist, aber nicht der materialistischen
Naturerklärung zustimmt, welche Büchner und Moleschott
den weitesten Kreisen verständlich zu machen suchen, die übrigens
ebenso wie der weniger beachtete Mathematiker Chr. Wiener mit
seinen „Grundzügen der Weltordnung" nicht in den Kähmen von SiegeFs
Darstellung fallen, weil sie meinen, auf ausschließlich naturwissenschaftlicher
Basis eine umfassende Weltanschauung entwickeln zu
können. Eimen kann daher auch Lotze nicht beigezählt werden, da ihm
„der ganze gegliederte Mechanismus, durch den die Welt sich erhält
und fortentwickelt, nichts anderes ist als der Gesamtausdruck
eines geistigen Entwickelungstriebes, durch den jene absolute Substanz
sich entfaltet". Der romantischen Naturphilosophie nähert
sieh wieder die Weltanschanuunir Fechner's, zu der er jedoch, wie
schon erwähnt, auf eigenem Wege gelangt ist. Seine Lehren, die
nach seinem Tode (1887) eine zunehmende Beachtung gefunden
haben, werden in ihren Hauptzügen — seinei Prüfung der Seelenfrage
, seiner Zweiseitentehre von der Einheit von Leib und Geist,
seiner Ansicht vom Stufenbau der Welt, seiner kritischen und fortbildenden
Darstellung der Atomenlehre, seinen Ideen zur Schöpf ungs-
und Entwickelungsgeschichte — in ansprechender uud anerkennender
Weihe übersichtlich dargestellt und damit wird schließlich zu
einem interessanten Eückblick auf Kepler'sehe Gedanken angeregt.
Wernekke.
Gibt es „denkende" Pferde? Von Dr.Stephan von Maday, k u.
k. Oberleutnant der Keserve, Assistent am physiologischen Institut
der deutschen Universität in Prag. Sonderahdruck aus
,,Kavalleristische Monatshefte".
Wieder eine von jenen völlig zwecklosen Publikationen, welche
— ohne jede genauere Kenntnis des Gegenstandes, nämlich der
KralFschen Pferde — in ihrem, gegen jene gerichteten Angriff
selbst einen Schlag ins Wasser bedeuten müssen. Hierzu kommt
bei dem Herrn Verfasser allem Anschein nach noch der verhaltene
Aerger darüber, daß sein kurz vor dem KralFschen erschienenes
Werk über die Psychologie des Pferdes des Genannten wegen nicht
die ihm, wie er glaubt, gebührende Beachtung in der Oeffentlich-
keit gefunden hat. In einer für den Psychologen ziemlich durchsichtigen
Weise deckt der Herr Verfasser nämlich seine eigene
Mentalität auf, indem er Herrn Krall, wie folgt, haranguiert:
„Wäre ich Karl Krall, hätte ich Pferde, die mit mir deutlich
sprechen können, so hätte ich mein Juweliergeschäft längst verkauft
und wäre durch die Pferde Millionär geworden." Und wie er
weiter das Geld in die KralFschen Kassen fließen läßt, ihn selbst
aber im hohen Viergespann ohne Zügel durch die Straßen fahren
sieht, das Volk vor ihm auf den Knieen oder sich bekreuzigend,
das alles spricht eine deutliche Sprache, die den am Anfang der
Schrift dem KralFschen Charakter gemachten Komplimenten
widerspricht. Wer einem Karl Krall, sei es offen, sei es versteckt,
Gewinnsucht oder Ehrgeiz in die Schuhe schiebt, der kennt ihn
nicht, ebensowenig wie seine Pferde. Ich aber kann dem Herrn
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