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32$ Psychische Studien. XL. Jahrjr. 6. Heft, (Juni 1913.)
III. Mein Befund an Ort und Stelle.
Bevor ich mich an Ort und Stelle begab, gebot mir
die Vorsicht, mir aus der Entfernung über das Spukhaus
und seine Bewohner möglichst eingehende Berichte zu verschaffen
, die ich glücklicherweise von einem Kollegen, der
dort früher öfters verkehrt hatte, mit allen wünschbaren
Einzelheiten erhielt. Dieser gab mir eiren Gruß für den
Gutsbesitzer mit, da ihm selber daran gelegen war, dadurch
den wortkargen Bauer eher zu einer Mitteilung zu
bewegen. Solchermaßen ausgerüstet und mit einem soliden,
derben und nicht zu städtischen Anzöge angetan, begab ich
mich also endlich Sonntag, den 6. Okt. 1912 mit meinem
Fahrrad nach Rüdtligen, wo ich vormittags 91/., Uhr vor
dem Hause des Landwirts Rudolf Marti ankam. Dessen
Gut ist an der Landstraße gelegen und besteht aus einem
guterhaltenen Wohnhaus mit angebauter großer Scheune.
Moderne landwirtschaftliche Maschinen und Geräte sind
unter dem breiten Vordach sichtbar. Ein kleines Wohn-
stöeklein und ein kleineres Bauerngewerbe, alles zum Hofe
von Rudolf Marti gehörig, befinden sieh weit davon am
End** des Dorfes. Das Hauptgebäude und das Wohnstöcklein
werden von der Familie Marti und einem ledigen
Bruder des Marti bewohnt, und das kleinere Bauerngewerbe
wird von einem Pächter bewirtschaftet.
Das alles mit einem Blicke umfassend, stellte ich mein
Fahrrad unter das Vordach und klopfte unverzüglich an
die Wohnung des Rudolf Marti an, durch die erhaltenen
Instruktionen in die Gewißheit versetzt, am richtigen Orte
zu sein.
Eine hagere Frau, Ende der Vierziger, öffnete mir.
Ich trug ihr den Wunsch vor, den Marti Ruedi, wie er
vertraulich genannt wird, sprechen zu können. Ein bartloser
, ungefähr 50 jähriger Bauersmann, der mich um mehr
als Haupteslänge überragt, erscheint auf der Türscbwelle.
Ich grüße ihn kurz und schreite ihm ohne weitere Erklärung
voran, wieder vor das Haus hinaus, weg von allen
müßigen Lauschern in die Nähe meines schnellen Fahrrades
. —
„Mein Freund Fehr., gewesener Malermeister in Alchen-
flüh, läßt Euch grüßen/ — „Ho der Fritz?*
Nachdem ich bejaht, bemerkte ich, daß ich „wegen dem
Gerede komme, das über dieses Haus im Umlauf sei*. Ein
finsterer, drohender Blick trifft mich aus dem Auge des
Bauers. Ich lasse mich dadurch aber nicht im geringsten
abschrecken, und beeile mich, ihm mitzuteilen, daß es nichts
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