Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
40. Jahrgang.1913
Seite: 332
(PDF, 209 MB)
Bibliographische Information
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332 Psychische Studien. XL. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1913.)

„nervösen Menschen" schildern. Denn die Neurotiker sind
die eigentlichen Lebenskomödianten. Sie spielen sich nicht
nur eine Rolle vor, nein, — sie foppen sich selber und
spielen die Rolle so lange, bis Wirklichkeit und Schein für
sie in eins zusammenfließen/

Wir sehen hier die Berührungspunkte des Neurotikers
und des Dichters. Der Dichter erfindet seine
Szene, der Neurotiker erlebt sie. Seine
Neurose erweist sich als eine gelungene
Dichtung, in der die Grenzen zwischen
Realität und Phantasie verschwimmen.*)

Allein unsere Traumanalyse ist noch lange nicht erschöpft
. Sie ist noch immer oberflächlich. Wir wollen ja
nur untersuchen, wie sich die Neurose und der Charakter
im Traumbilde spiegeln. Wir haben die demütigen, maso-
chistischen Züge der Kranken hervorgehoben. Im seelischen
Leben herrscht das Gesetz der B i -
polarität. Wo wir auf Demut stoßen, müssen wir auch
Herrschaft finden. Wo Unterwerfung den Nacken beugt,
reckt sich der „ Wille zur Macht" mit geballten Fäusten
drohend empor. Dieser Traum muß auch diesen bipolaren
Charakter zum Ausdruck bringen. Und er tut es auch.
Unsere Träumerin hat hier eine ganz besondere Mission.
Sie ist die „Einzige", die den Kaiser sieht, die Einzige
, die ihm einen Gruß nachruft, die einzige
S e h e n d e unter tausend Blinden. Wir merken diese
ungeheure Uberhebung, die ja so menschlich ist.

Jeder hält sich für den Klügsten. Jeder glaubt, seine
Augen sehen schärfer als die des Nachbarn. Wer anderer
Meinung ist, hat diesen „Größenwahn des Normalmenschen"5 *»
wohl im Intellekte überwunden. Im Gefühle und im
Traume, in den Phantasien noch lange nicht und überhaupt
nicht. So ist die Rolle, die unsere Kranke im Traume
spielt, eine besonders bevorzugte. Sie sieht den Kaiser, sie
rafft einen Blumenstrauß zusammen, sie eilt ihm allein nach;
sie ist die einzige, die ihm übers Meer Grüße sendet . . ..
Gott wird sich um keinen Menschen kümmern, aber ihre
schwache Stimme wird er erhören. Hier verrät sich der
grenzenlose Ehrgeiz des Neurotikers, der alles für sich
allein haben will. Dieses hypertrophische Ichgefühl ist die
Quelle der neurotischen Leiden und Zurücksetzungen.

*) ötekel: „Das Verhältnis des Neurotikers zur Zeit/
(„Zentralblatt f. P.-A/, II. Band.)

**) Stekel: „Was am Grund der Seele ruht' . . S. 39.
(Verlag von Paul Knepler, Wien, 1909.)


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