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v. Klinckowstroem: Der Streit um die denkenden Pferde. 347
keinesfalls genügen. Den völlig durchschlaggebenden Beweis hierfür
schien die Tatsache zu erbringen, daß auch das blinde Pferd
„Berto" die Rechenaufgaben richtig zu lösen vermochte; denn bei
diesem kann ja selbstverständlich keine Gesichtswahrnehmung zustande
kommen. „Aber gerade dieser von den Anhängern Krall's
als besonders beweiskräftig immer wieder betonte und auch für
manche minder orientierten Gegner zunächst verwirrende Fall
sollte sich bald als besonders verhängnisvoll für Krallt Sache erweisen
/ wie Dr. Max Ettlinger in seiner eben erschienenen Schrift
„Die rechnenden Pferde* (München, Verlag „Natur und Kultur14,
1.20 M#) meint. „Bei einer Vorführung dieses blinden Pferdes war
n'imlich eines Tages ein besonders zuverlässiger Pferdekenner, der
Düsseldorfer Tierarzt Karl Wigge anwesend, der sich übrigens als
Vorsitzender der Bheinisch-Westfälischen Tierärzte - Kammer unter
seinen Standesgenossen eines besonderen Ansehens erfreut und von
dessen vorsichtiger Zurückhaltung und Gewissenhaftigkeit ich mich
in einer längeren Unterredung eigens überzeugt habe. Wigge nun
vermochte gerade bei ^Berto*, der am Zügel geführt wird, festzustellen
, daO der blinde Hengst „regelmäßig sofort mit dem rechten
FuU zu klopf er begann, wenn der Pferdeknecht Albert, nachdem
Krall die Jbrage gesceiii, die Zügel, die er bis dahin festgehalten
hatte, losließ,* und ebenso berichtet Wigge von einem anderen, zwar
sehenden, aber mit Scheuklappen versehenen Pferde „Demir*, daß
auch hier Albert die Zügel hielt und mit diesen Zeichen gab. Es
handelte sich in diesem Fall um die einfache Rechenaufgabe
3 plus 8. „Sobald nun ,fc berichtet Wigge in der „Deutsehen tierärztlichen
Wochenschrift41 vom 7. Dezember 1912, „das Pferd mit
dem rechten FuO bis 6 geklopft hatte, gab Albert mit dem Zügel
eine» kleinen Ruck und prompt hörte das Klopfen auf. Bei Zahlen
über Zehn hinaus, die mir nicht mehr erinnerlich sind, erfolgte der
Ruck bei den Einern mit dem rechten, bei den Zebnern mit dem
linken Zügel. Besonders interessant gestaltete sich im Anschluß
d-iran noch die Frage: „Wie macht man eine Null >tf Albert griff
einmal in die rechte Flanke (Kopfwendung des Pferdes nach rechts),
dann in die linke Flanke (Kopfwendung nach links) und die Null
war fertig. Von dem Publikum bat, soweit ich beurteilen konnte,
niemand von diesem Vorgang etwas bemerkt, auch Krall selbst hat
w eder an diesem Tage, noch in seinem Werke die geringste dahin
zielende Andeutung gemacht. Die Zuschauer waren von der
Leistung des Schülers geradezu entzückt und klatschten den lebhaftesten
Beifall." KralFs Anhänger haben diese Feststellungen
Wigge V nicht etwa dadurch zu entkräften versucht, daß sie den
Gebrauch der Zügelhilfe in Abrede stellten. Sie gaben vielmehr
die Richtigkeit der Wigge'sehen Beobachtung zu und behaupteten
nur, daß die Züirelbilfen nur zu Beginn des Unterrichts benutzt
wurden, später aber überflüssig seien. Damit erledigt sich keineswegs
Wigge's mit Recht betontes und von mir unterstrichenes Bedenken
, dal) Krall von der Verwendung solcher Zügelhilfen vorher
Leinerlei Mitteilung gemacht hat." — Der Herr Verfasser selbst
fußt sein Endurteil in folgende Worte zusammen, denen wir nur beipflichten
können: „An die Red. der „Psych. Studien"! Ich sende
Ihnen anbei einen weiteren Ausschnitt aus den „Münchner Neuesten
Nachr.*. Man wird in der Frage der „denkenden Pferde* ein abschließendes
Urteil vorerst nicht abgeben können. Auch Dr.
E 111 i n g e r dürfte das letzte Wort in der Sache nicht gesprochen
Abwarten t
Graf Klinckowstroem.*
24. IV. 1918.
23*
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