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Minder: Der Spuk zu Rüdtligen.
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Junge, den ich selber sah, sei hierauf im Eifer, seine Unschuld
zu beweisen, unermüdlich in allen Verstecken
herumgekrochen, um die unerklärlich abhanden gekommenen
Gegenstände aufzufinden. Man sei auch, erzählte
Sieber weiter, in solchen Fällen wiederholt zu ihm gekommen
. Er hätte dann jeweils „nach den Karten" seine
Angaben gemacht.
Merkwürdig war seine folgende Behauptung: Er hätte
sich nämlich über den möglichen Auffindungsort einiger
Fünffrankenstücke geäußert und dabei erklärt, das bisher
öfters vorgekommene nochmalige Verschwinden des
nämlichen Gegenstandes könne dadurch verhindert werden,
daß man demselben nie den Rücken kehre. Sonst sei es
augenblicklich geschehen! Die Frau des Marti habe dann
auch richtig die Fünf frankenstücke in der Nähe der bezeichneten
Stelle in einer Fuge des Wandgetäfels gefunden.
Nachdem sie die weniger tief steckenden Stücke mit Hilfe
einer schnell aus dem Kopfputz gezogenen Haarnadel
herausholen konnte, mußte sie für das letzte ein Tischmesser
zu Hilfe nehmen. Hierbei habe sie sich ahnungslos umgewandt
und — der Fünffrankentaler sei augenblicklich
verschwunden gewesen.
Wahrsager Sieber erzählte ferner, er sei selber in das
Spukhaus gerufen worden. Während seiner dortigen Anwesenheit
hätte sich aber kein einziges Phänomen ereignet.
Einfach und ohne jedes Zeremoniell erscheint mir auch sein
durch das Gerücht geheimnisvoll aufgebauschtes „Bannen44
des bösen Geistes. Nach seinen eigenen schlichten Worten
hat er nämlich nur die strikte Weisung gegeben, kein
Sterbenswörtchen mehr über die Spukvorgänge zu verlieren
, weder unter sich, noch außer dem Hause. Die
Seele des bösen Weibes verliere damit die Kraft . . . .
Tatsächlich hat der Spuk auch bald sein Ende erreicht.
Ob es nun die ITolge jener Maßregel war oder ob die
von Sieber bezeichnete Frau wirklich die Übeltäterin war
und, durch das immer offener werdende Gerede bedroht,
von selbst ihr schändliches Tun eingestellt hat, kann ich
uicht beurteilen. In beiden Fällen würde aber Sieber
direkt oder indirekt das Verdienst zufallen, einem den
guten Ruf, die Gemütsruhe und die Gesundheit der Betroffenen
schädigenden Spuk ein Ende bereitet zu haben.
VII. Schlußbetrachtungen.
Es wäre aber auch wohl möglich, daß das Entstehen
und das endliche Aufhören des Spuks andere okkulte Beweggründe
als die vermeinten gehabt hätte. In diesem
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