Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
40. Jahrgang.1913
Seite: 391
(PDF, 209 MB)
Bibliographische Information
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Stekel: Der tiefe Brunnen.

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der kleinsten Insel sahen, auf einem herausragenden Felsstück,
wo kaum 5 bis 6 Menschen Platz hatten und wo man sich nicht
rühren konnte, ohne Furcht, ins Wasser zu gleiten. Rückwätts,
wo wir hergekommen waren, erblickte man nichts als die See;
vor uns aber lag die Küste in der Entfernung einer Viertelstunde
auf das einladendste ausgebreitet. Das Ufer war an
einigen Stellen flach, an andern felsig und mäßig erhöht, und
man erblickte zwischen grünen Lauben und weilten* Zelten ein
Gewimmel lustiger Menschen in hellfarbenen
Kleidern, die sich bei schöner Musik, die aus den Zelten
herübertönte, einen guten Tag machten. „Da ist nun weiter
nichts zu tun,'' sagte einer zum andern, „wir müssen uns entkleiden
und hinüberschwimmen." — „Ihr habt gut reden," sagte
ich, „ihr seid jung und schön und überdies gute Schwimmer.
Ich aoer schwimme schlecht und es fehlt mir die ansehnliche
Gestalt, um mit Lust und Behagen vor den fremden Leuten am
Ufer zu erscheinen." — „Du bist ein Tor," sagte einer der
schönsten, ,/ntkleide dich nur und gib mir deine Gestalt, du
sollst indes die meinige haben." Anf dieses Wort entkleidete
ich mich schnell und war im Wasser und fühlte mich im Körper
des andern sofort als kräftiger Schwimmer. Ich hatte bald die
Küste erreicht und trat mit dem heitersten Vertrauen nackt
und triefend unter die Menschen. Ich war glücklich im Gefühl
dieser schönen Glieder, mein Benehmen war ohne Zwang, und
ich war sogleich vertiaut mit den Fremden vor einer Laube an
einem Tische, wo es lustig herging. Meine Kameraden waren
auch nach und nach ans Land gekommen und hatten sich zu
uns gesellt, und es fehlte nur noch der Jüngling mit seiner Gestalt
, in dessen Gliedern ich mich so wohl fühlte. Endlich kam
auch er in die Nähe des Ufers, und man fragte mich, ob ich
denn nicht Lust habe, mein früheres Ich zu sehen. Bei diesen
Worten wandelte mich ein gewisses Unbehagen an, teils weil ich
keine große Freude an mir selber zu haben glaubte, teils auch,
weil ich fürchtete, jener Freund möchte seinen eigenen Körper
sogleich zurückverlangen. Dennocn wandte ich mich zum Wasser
und s-ah mein zweites Selbst ganz nahe heranschwimmen und,
indem er den Kopf etwas seitwärts wandte, lachend zu mir
heraufblicken. „Es steckt keine Schwimmkraft in deinen
Gliedern," rief er mir zu; „ich habe gegen Wellen und Brandung
gut zu kämpfen gehabt, und es ist nicht zu verwundern,
daß ich so spät komme und von allen der letzte bin." Ich erkannte
sogleich das Gesicht, es war das meinige, aber verjüngt
und etwas voller und breiter und von der frischesten Farbe.
Jetzt trat er ans Land, und indem er, sich aufrichtend, auf dem
Lande die ersten Schritte tat, hatte ich den Überblick seines
Bückens und seiner Schenkel und freute mich über die Voll- *
kommenheit dieser Gestalt. Er kam das Felsufer herauf zu uos
andern, und als er neben mich trat, hatte er vollkommen meine
neue Größe. Wie ist doch, dachte ich bei mir selbst, dein kleiner
Körper so schön herangewachsen? Haben die Urkräfte des
Meeres so wunderbar auf ihn gewirkt, oder ist es, weil der
jugendliche Geist des Freundes die Glieder durchdrungen hat?
Indem wir darauf eine gute Weile vergnügt beisammen gewesen,
wunderte ich mich im Stillen, daß der Freund nicht tat, als ob
er seinen eigenen Körper einzutauschen Neigung habe. - Wirklich
, dachte ich, sieht er auch so recht stattlich aus, und es
könnte ihm im Grunde einerlei sein; mir aber ist es nicht einer-

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