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406 Psychische Studien. XL. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1913.)
sein kann, oder ob ihr eine Sonderexistenz zugesprochen
werden muß. Nun, zur Beantwortung dieser Frage ist
reiches Material gesammelt worden, mit dem sich jeder
Wißbegierige abfinden mag! Ich persönlich glaube an die
Fortdauer meiner Individualität, — über die Form dieser
Fortdauer weiß ich nichts und kann mir auch keine rechte
Vorstellung davon machen. Tch glaube nur. daß das, was
mir von dauerndem Werte ist, von Werten, die über materielle
, irdische Formen hinausgehen, daß mir das erhalten
bleibt! Daß mir alle meine Lieben erhalten bleiben, solange
uns das Verlangen dazu drängt, daß wir uns ständig bei
unserer weiteren Wanderung durch die Welt der Körper
nahe bleiben, uns wiederfinden werden auch in der Körperwelt
, daß dem Willen zum Dasein eben das Dasein gewiß
ist! — Man soll zwar nicht soviel auf die aus ihren Erfahrungen
begründeten Lehren anderer geben, als ob das
jetzt auch für uns maßgebende Dogmen wären, aber man
kann doch wohl aus ihnen heraushören, ob jene Erfahrungen
zu den unsrigen passen! Und da ist mir jenes Wort von
Mabel Collins*) so wertvoll:
„Dreifache Wahrheit gibts, die unbedingt ist,
Die niemals schwindet, in Vergessenheit^
Nur schlummern mag sie, weil die Sprache mangelt.
Es ist unsterblich jedes Menschen Seele,
Und ihre Zukunft ist die eines Wesens,
Des Herrlichkeit und Wachstum ohne Grenzen.
Die Urkraft, die das Leben gibt, sie lebt
In uns — und außer uns, ist unvergänglich,
Ist ewig Gutes wirkend, uusichtbar,
Ist wahrnehmbar mit keinem äußern Sinn,
Doch der erkennt sie, der die Kenntnis sucht.
Es gibt der Mensch sich selber die Gesetze,
Er wählt das lichte oder düstre Los,
Bestimmt sich selber Leben, Lohn und Strafe.
— So schlicht, gleich wie ein schlichtes Menschenherz,
Ist dieser Wahrheit Dreizahl — und doch groß,
Gleich wie das Leben selbst!44 —
Ich habe mich bemüht, immer und immer wieder zu
betonen, daß in allem nur meine persönliche Ansicht zum
Ausdruck kommt, daß jeder Vorwärtsstrebende — doch
was heißt „vorwärt s streben", wir stehen ja immer in der
Mitte aller Entwicklung, zeitlos, kein vor- kein nachher
kennend —, daß eben jeder Lebende selbst zu erkennen
hat, daß das gerade der Zweck und die Aufgabe des Daseins
ist, in ihm nur eine Phase des ewigen Seins zu erfassen! —
*) Mabel Collins, Weißer Lotos.
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