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Kurze Notizen.
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entschieden gegen einen Zufall und für eine
Denkarbeit der Tiere. Er erklärt, daß die Tiere
Zahlen und Worte unserer ihnen völlig artfremden Sprache
nicht nur verstehen, sondern auch ablesen können; anderseits
würden sich die Pferde auch in unserer Sprache,
wenngleich in ihrer besonderen Orthographie, verständlich
machen. Der Gelehrte führte weiter aus, daß die leichten
Lösungen meist gleich erfolgten, mitunter auch erst beim
zweiten und dritten und selbst noch beim neunten und
zehnten Fragen. In einem gewissen Prozentsatz der Fälle
versagten die Tiere auch vollständig; es komme vor, daß
sie unlustig, faselig oder auch müde seien. Beim Wurzelausziehen
liegt, wie Professor Plate weiter erklärte, im
Gegensatz zur Lösung der anderen Aufgaben mehr ein
Raten, als eine rechnerische Überlegung vor; reiner Zufall
dagegen erscheint ihm auch hier ausgeschlossen. („Münch.
N. Nachr.tt Nr. 275 vom 1. Juni 1913.)
b) Gehirn und Seele. In der „Gesellschaft für
psychische Forschung* in London hat Professor B e r g s o n
einen Vortrag über die Bedeutung des Gehirns für das
gesamte geistige und seelische Leben des Menschen gehalten
. Bergson bekennt, daß er seinerseits auf Grund
zahlreicher Fälle während der letzten 30 Jahre an eine
Telepathie zu glauben geneigt ist. Die Macht der
modernen Naturwissenschaft hat sich dahin geäußert, daß
alles, was nicht einer Messung unterworfen werden kann,
ausgeschieden werden muß. Die Wissenschaft hat infolgedessen
auch zu dem Glauben geführt, daß das Gehirn, das
doch wenigstens körperlich studiert werden kann, der Sitz
der Seele sei, und seit etwa 3 Jahrhunderten hat die Metaphysik
daran gearbeitet, einen vollständigen Parallelismus
zwischen dem Leben des Geistes und dem des Gehirns
zu begründen. Professor Bergson aber nennt jene
Ansicht der „Parallelisten* eine rein metaphysische Hypothese
. Er stützt* sich darauf, daß die Versuche, die
einzelnen geistigen Funktionen an bestimmte Teile und
Bewegungen des Gehirns zu binden, bisher recht wenig
Erfolg gehabt haben, und daß sogar die Suche nach dem
Sitz der Sprache im Gehirn, auf dessen Entdeckung
man sich so viel zugute getan hat, durch Beobachtungsirrtümer
in Mißkredit geraten ist. Das Gedächtnis faßt
Bergson auch nicht derart auf, daß das Gehirn Erinnerun-
gengauf8peichert, sondern er'nimmt an, daß es sie nur
zurückruft, wenn ein Bedarf vorliegt. Das Gehirn sei das
Organ der Aufmerksamkeit im Leben, und daher
führe seine Störung auch zu einer Störung der Seele, ob-
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