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Literaturbericht
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Schläfenlappens, die Körperfühlsphäre usw., sowie die motorische
Kegion der zentralen Windungen: zwei Drittel — das Stimhirn,
ein großer Teil der Schläfen- und Hinterhauptslapnen, ein mächtiges
Gebiet im hinteren Scheitelteil und endlich die tief im Innern des
Hirns versteckte EeiFsche Insel dienen dazu, die Sinneszentren zu
höheren Einheiten zusammenzufassen ; sie sind die geistigen oder
Assoziations- oder Koagitationszentren. Die geistigen Zentren sind
nach einem Monat nach der Geburt unreif, gänzlich bar des
Nervenmarks, während die Sinneszentren schon vorher herangereift
sind. Die geistigen Zentren sind die Hauptträger von dem, was wir
Erfahrung, Wissen und Erkenntnis, was wir Grundsätze und höhere
Gefühle nennen, zum Teil auch der Sprache; ihre Erkrankung ist
es vornehmlich, die „ geisteskrank * macht. Sinnes- und geistige
Zentren sind untereinander durch zahllose Nervenfasern (Assoziationsfasern
) verbunden; auf diesen Fasern beruht die Einheitlichkeit
der Gehirntätigkeit des Geistes. „Im Aufbau unseres
Geistes, in den großen beharrenden Zügen seiner Gliederung
spiegelt sich klai und deutlich aie Architektur unseres Gehirnes
wieder/ (Vergl. Flechsig, „Gehirn und Seele *, 1896 und die
„Lokalisation der geistigen Vorgänge* 1896, auch James, „Psychologie11
, 1909). E. W. Dobberkau.
Die Lüge in der neueren Ethik. Von Dr. phil. Karl Häußer.
Verlag Gustav Fock, G. m. b. H., Leipzig, ßrosch. 2 M.
Die vorliegende Schrift, eine Dissertation, ist eine lesenswerte
Studie über das alte und doch noch nicht einstimmig gelöste Problem
der Lüg«, ein Problem, das kaum jemals befriedigend gelöst
wird, so lange Mens.hen Menschen sind und solange die Definitionen
der Lüge nicht eindeutig scharf umrissen, solange sie nicht
auf eine klare Formel gebracht sind. Den bei weitem größeren
Teil seiner Schrift verwendet der Verf. nach einem skizzenhaften
Überblick über die Beurteilung der Lüge von den ältesten ethischen
Urkunden an (Hammurabi, Moses, Buddha, Homer) bis zu Kant auf
eine vorwiegend sachliche — weniger kritische — Darstellung des
Problems der Lüge in der philosophischen und dann insbesondeie
in der christlichen Ethik (katholischer und protestantischer Richtung
). Im zweiten Teile versucht er hierauf eine kritische Stellunn-
nahme zu den herrschenden Gebräuchen; wie weit er aber von einer
befriedigenden Lösung des schwierigen Problems entfernt bleibt,
geht aus einem Vergleich seiner Ausführungen auf S. 83 und 85
hervor. Während er hier gesteht, daß ein sittliches Ideal nicht
isoliert verwirklicht werden kann, sondern nur durch die fortschreitende
Verwirklichung aller sittlichen Ideale, räumt er dort
z. B. der Berafspflicht eine höhere Bedeutung ein, als dem sittlichen
Ideale der Wahrhaftigkeit. Solange in dieser Weise die wissenschaftliche
Ethik hinter der Dichtung zurückbleibt, die doch in
Schauspiel und Tragödie ehrlich um die Erziehung zu fortschreitender
Verwirklichung sittlicher Ideale bemüht ist, wird von jener
Ethik nur als historisch-theoretischer, nicht aber als knlturschöpfe-
rischer Disziplin die Rede sein können. So ist die Schrift zwar
nicht als sicherer Wegweiser auf verworrenen Pfaden, aber als A n-
reger zu ernstem Denken und Streben lesenswert. B. Roge.
Cellular-Ethik als moderne Nachfolge Christi. Grundlinien eines neuen
Lebensinhalts von Wilhelm Kleinsorgen. Alfred Kröner
Verlag, Leipzig. Brosch. 3 M
Das Buch hat der Verf. seinem hochverehrten Lehrer Ernst
Häckel gewidmet. Daraus läßt sich schon die Grundstimmung des
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