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432 Psychische Studien. XL. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1913.)
Eine Studie unter Berücksichtigung der Lehren des Monismus
von W. Kuhaupt Druck und Verlag Haller'sehe Buch-
druckerei, Gebr. Volkhardt, Aschersleben. 1918. 96 8. Preis
1.25 M.
Ein sehr anregendes Buch, das für jeden, der sich mit diesen
Fragen beschäftigen will, eine Fülle von Stoff bietet, zumal der
sehr belesene Verfasser das besonders in okkulten Dingen sehr empfehlenswerte
Verfahren eingeschlagen hat, sich erst selbst genügend
in einen Gegenstand zu vertiefen, ehe man andere darüber aufklärt
. So bietet das zweite Kapitel (okkulte Tatsachen) eine sehr
lesenswerte Übersicht über die Hauptdaien der okkulten Phänomenologie
, soweit sie Ähnlichkeit mit den Wunderberichten des
neuen Testaments aufweist (siehe besonders S. 431*; vorsichtiger
wird man allerdings bei den Schlüssen sein müssen, die der Verfasser
daraus gezogen hat So z. Jb. im vierten Kapitel (die transzendentale
Wurzel des Menschen und die Wurzel der Person Jesu)
der Satz: rWeun Jesu Zeugnis von sich nicht Wahrheit ist, dann
war er ein nicht ernst zu nehmender Phantast;* — wie paßt das zu
der uns von Jesus überlieferten Gleichstellung seiner Person mit
dem „Menscnensohn*, der mit Gott aus den Wolken des Himmels
zum Gericht kommen werde? Der Verfasser dürfte doch wohl
kaum an eine Verwirklichung dieser eschatoiogischen Phantasien
glauben wollen. Damit erledigt sich auch der vom Verfasser S. 25
mit dem Okkultismus gegen die moderne Theologie ins Treffen geführte
Satz, daß Jesus der Urgemeinde als ein mehr als menschliches
Wesen gegolten habe: das war ja geradezu eine Notwendigkeit
, wenn Jesus, war er doch nach den Evangelien selbst tat, mit dem
Christus, d. h. dem Messias, identifiziert wurde, also mit jener Gestalt
, die schon zu Jesu Lebzeiten und vor ihm mit einer Menge
von wunderbaren übermenschlichen Attributen bekleidet war, sodaß
diese Attribute später regelrecht auf den historischen Jesus übertragen
werden muOten. Ebenso im nächsten Kapitel 8.51: „Wenn
ihm (Harnack) die eine Wundererzählung legendär erscheint, warum
sind denn die anderen oder warum könnten die anderen wahr sein?*
Der Begriff „ Wunder* ist eben ein so vielseitiger, daß man diese
Fragen nicht rein theoretisch, sondern nur nach den Umständen,
unter denen sie berichtet werden, lösen kann. Au4* der Vergleich-
ung mit Buddha geht z ß. hervor, daß diese Wundervorstellungen
sieri auch bei Buddha finden: der Verfasser muß also entweder annehmen
, daß auch der indische Reformator solche Taten vollbracht
hat (er steht aber nach dem Verfasser S. 25 viel niedriger als Jesus,
sodaß Gott um seinetwillen wohl kaum die Naturgesetze durchbrochen
haben würde) oder er muß mit der modernen Wissenschaft
annehmen, daß es sich hier um bloße Volksvorstellungen handelt,
die sich überall unabhängig von einander bilden, ohne daß ihnen
Tatsachen zugrunde lägen. Anders ist das natürlich bei den
Heilungswundern usw., die übrigens keineswegs, wie der Verfasser
meint, von der modernen Theologie verständnislos abgelehnt werden
(der Hinweis auf den Okkultismus findet sich z. B. in dem von mir
erwähnten Buch von Otto u. a.). Wir haben daher, da sich die
Wunderberichte des neuen Testaments als unzuverlässig erwiesen
haben, keinen Grund, an eine Durchbrechung der Naturgesetze zu
glauben (S. 52), sondern müßten, um das zu glauben, eine
völlig einwandfreie Überlieferung haben, ein Kapitel,
auf das der Verfasser leider mit keinem Worte eingeht.
Daher auch der Hinweis auf die übernatürliche Geburt Jesu (S. 52),
der doch allein durch die Tatsache entkrättet wird, daß das Ge-
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