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473 Psychische Studien. XL. Jahrgang. 8. Heft. (August 1913)
war eben schon zu Gott hinaufgestiegen, darum werden
auch die Jünger, die allerdings nach der Hinrichtung ihres
Meisters völlig entmutigt sind, auch gar nicht von dem
leiblich Auferstandenen getröstet, sondern von dem Verklärten
: er geht bald durch die Mauern des Hauses hindurch
, bald entschwindet er ganz vor ihren Augen, um an
einer anderen Stelle plötzlich zu erscheinen, — alles (auch
hier mußten später natürlich vergröbernde Vorstellungen
auftreten), wie ein „Geist", der an den Raum nicht mehr
gebunden ist. Wir müssen nach dem, was wir früher ge- *
hört haben, annehmen, daß das älteste Evangelium, das
nach Markus, also auch die Rudimente der ursprünglichen
Anschauung noch durchblicken läßt, bezw. die ursprüngliche
Form darstellt, aus der die übrigen durch Erweiterung
hervorgegangen sind. Tatsächlich verhält sich das
auch so (von dem unächten, aus späterer Zeit stammenden
Schluß abgesehen): er weiß nur, daß das Grab am dritten
Tage leer ist, aber auch daß nicht durch das Zeugnis des
Petrus und der Jünger, sondern nur der Frauen, ja im
letzten Grunde, wenn einer merkwürdigen Stelle des
Johanneeevangeliums (26) Glauben zu schenken ist, nur der
Maria Magdalena, von deren krankhafter Veranlagung die
Evangelien selbst (Luk. 8, 2) Zeugnis ablegen. So finden
wir also bei Markus nur eine keimhafte Anlage aller derjenigen
Punkte, die später weiter ausgestaltet worden sind,
die aber doch wenigstens so viel mit Sicherheit erkennen
läßt, daß wir die Entstehung des Auferstehungsglaubens
bei den Jüngern in Galiläa zu suchen haben, nicht aber
bei den Frauen in Jerusalem.*)
*) Anm, Die Dreizahl (am dritten Tage etc.) spielte schon
lange vorher in dem Toten- und animistischen Glauben der Alten
eine große Rolle. Wach einer parsischen Sage bleibt die Seele drei
Tage am Bette des Toten und möchte nach dem Körper zurückkehren
, tut es aber erst am vierten Tage; in der Alkestis des Euri-
pides darf Admet seine Gemahlin, die Herakles dem Totenreiche
entrissen hat, erst nach drei Tagen anrühren, nachdem die Totenopfer
gebracht sind; am dritten Tage werden bei dem griechischen
Totenfeste die Seelen wieder hinabverwiesen in den Hades etc.
Übrigens muß man bedenken, daß aueb das Markusevangelium erst
lange Zeit nach diesen Ereignissen niedergeschrieben worden ist,
sodaß die Umbildung eben in dieser Zwischenzeit vor sich gegangen
sein muß; mitgewirkt hat dabei offenbar auch die Anschauung
, daß Jesus, der erste, der von diesem
ganzen Re:clie Gottes auf die Erde gekommen
war, auch als der erste dieser „Heiligen" aus dem
Grabe auferstehen mußte, dazu andere mißverstandene
Stellen des alten Testaments (s. 1. Kor. 15, 3—4 und Apostelgesch. 2,
27, 31 u. a.).
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