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482 Psychische Studien. XL. Jahrgang. 8. Heft. (August 1913.)
drängen sich die Phänomene aus jenem scheinbar mystischen
Reiche, wo das Wahrnehmbare mit dem Unwahrnehmbaren
verschmilzt, mit solcher Gewalt dem allgemeinen Interesse
auf und pflegen dermaßen aggressiv zu werden, daß sich die
Männer der Wissenschaft, nolens volens, zur Untersuchung
bequemen müssen. Eint1 solche hat nun auch in Elberfeld
stattgefunden und aus den bisher eingegangenen Berichten
über exakte Kontrollversuche von unvoreingenommenen
kompetenten Beobachtern und Sachverständigen wird unwiderleglich
ersichtlich, daß weder Betrug, noch Selbsttäuschung
, noch unwillkürliche und unbewußte Muskelzuckungen
usw. als Erklärung in Frage kommen können und
ganze Tintenfässer, gegen die Möglichkeit der wunderbaren
Erscheinungen geschleudert, treffen eben nur das Papier,
schaffen aber die einwandfrei bestätigte ungeheuerliche Tatsache
nicht aus der Welt, daß die Pferde in Wirklichkeit
und ohne allen Zweifel nicht nur die Eesultate der ihnen gestellten
, oft äußerst schwierigen Reehenexempel, wie Quadrat-
und Kubikwurzelziehen aus fünf- und sechsstelligen Zahlen,
in unglaublich kurzer Zeit gelöst, mit den Hufen klopfend
kundgeben, sondern auch, phonetisch buchstabierend, intelligente
Mitteilungen machen.
Selbst zugegeben, daß es gewisse einfache Kegeln gibt,
um schwierige Rechnungen ohne Logarithmentafel zu lösen,
oder daß die fünfte Potenz jedei Zahl auf dieselbe Ziffer
endet, wie diese selbst usw., so geht daraus doch noch
keineswegs mit solch apodiktischer „Sicherheit die Tatsache
einer ausgezeichneten Perzeptions- und
DressurfähigkeitK, noch die „unbedingte Richtigkeit
der Annahme von Signalübermittlung14
hervor, wie der verehrl. Verfasser des oberwähuten Artikels
meint, ganz abgesehen davon, daß damit dann immer noch
nicht erklärt wäre, wie es die „Pferdeknechte* von
Herrn v. Osten oder von Herrn Krall ihrerseits bewerkstelligen
, z. B. die Kubikwurzel aus 103 82H = 47 im Kopfe
in solch fabelhaft kurzer Zeit auszurechnen, um die nötigen
optischen, akustischen oder taktilen Zeichen zu übermitteln,
da sie ja doch selbst weder die Aufgaben,»noch die Resultate
im voraus kennen, und eine solche Leistung, nach Dr.
Ettlingens eigener Aussage, fast nur für berufsmäßige
Rechenkünstler möglich ist. überdies möchten wir
— gestützt auf langjährige diesbezügliche Erfahrungen und
Beobachtungen — uns die Behauptung erlauben, daß die
Leistungen dieser sogenannten phänomenalenRechen-
künstier genau so rätselhaft sind, wie die der Pferde;
daß sich dieselben selbst keine Rechenschaft geben können
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