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514 Psychische Studien. XL. Jahrg. 9. Heft. (September 1913.)
den gröbsten Umrissen verfolgen kanu. Daher kommt es
auch, daß die Forschungsergebnisse beider Wissensgebiete
mit einander gar nicht in Beziehung gebracht werden. Ihre
Vergleichung und ihre Unterordnung unter allgemeine Ge-
setz! würde beiden Wissenschaften zum Vorteile gereichen,
sie würfe Licht in manche dunkle Ecke und förderte nicht
minder die so notwendige Erkenntnis organischer Einheit
des Weltalls. (Schluß folgt.)
Zu dem „Versehen der Mütter44 und von
„symbolischen Träumen44.
Von Lilli Suburg (Lievland-Walk-ELomeln-Egere).
Soll ich? oder soll ich nicht? Doch! Denn ich lese
ja selber so gerne derlei Berichte über die Tiefen des
menschlichen Seelenlebens und haben mich die Schilderungen
vom „Versehen der Mütter*, wie auch diejenigen von
„symbolischen Träumen* sehr interessiert, dieweil ich ja
selber Seitenstücke zu denselben zu liefern hätte. Erzähle
ich sie hier, so gebe ich ja wohl ein Stück von meinem
tiefsten Sein der Öffentlichkeit preis. Doch wie soll man
überhaupt auf so tief greifende Fragen, wie das auf die
Frucht wirkende „Versehen der Mütter* oder die „Symbolik
der Träume* eine Antwort suchen und finden können,
wenn niemand auf solche Geheimnisse des Menschenlebens
hinweisen, sie aufdecken wollte? Darum will ich zur
Förderung des Forschens auf dieseu dunkeln Gebieten kurz
und klar und wahr erzählen, was ich aus eigener Erfahrung
darüber weiß.
Wie ich, meiner jungen, schönen Mutter, die von Gesundheit
strotzte, erstes Kind, noch in ihrem Schöße verborgen
ruhte, mußte sie eine Reise machen. In einem
Wirtshause saß sie, während die Pferde gefüttert wurden,
an einem Tische, an den sich auch ein Weib mit einem
Säuglinge im Arme setzte. Durch das Wimmern des
Kindes aufmerksam gemacht, wrendet meine Mutter ihre
Blicke auf dasselbe. Dabei hatte sie .die rechte Hand mit
dem Ellbogen auf den Tisch uud das Kinn in die Handfläche
gestützt. So sah sie , daß das Kindchen am Kinn ein
großes Blutgeschwür hatte, welches ihm wohl Schmerzen
bereitete. Meiner Mutter Mitgefühl wurde aufs tiefste
erregt.
Wie ihr Kind — ich — geboren wurde, hielt es die
rechte Hand fest am Kinn und an der Stelle, wo dieselbe
nur mit großer Mühe von da entfernt wurde, fand man
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