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Kaindl: Kommerzialismus, eine Viaion Tolstoi's. 519
das der angelsächsischen, das der romanischen, das der sla-
vischen und das der mongolischen Rasse. Nach dem Jahre
1925 sehe ich eine Wandlung in den religiösen Gefühlen
der Menschheit sich vollziehen. Die zweite Fackel der Kurtisane
hat den Sturz der Kirchen herbeigeführt. Die Idee
vom Ewigen ist fast geschwunden; die Menschheit ohne
jeden moralischen Halt. In dieser Not ersteht der Menschheit
ein großer Reformator *) Dieser wird die Welt von den
Rückständen des Monotheismus säubern, und den Grundstein
zum Tempel des Pantheismus legen. Die Begriffe Gott,
Seele, Geist und Unsterblichkeit werden in einem neuen
Schmelzofen umgegossen werden und es zeigt sich mir der
friedliche Beginn einer Ära der Ethik Der Mann, welcher
zu dieser Mission vom Schicksal ausersehen ist, ist ein
mongolischer Slave („Mongolian-Slav"). Ein Mann der Tat,
der bereits auf Erden wandelt und der selbst noch keine
Ahnung von der Mission hat, welche ihm eine höhere Macht
zugedacht hat.
Das Feuer der dritten Fackel hat bereits begonnen,
unsere Familienbeziehungen, unsere Kunst- und Moralgesetze
zu zerstören. Das Verhältnis zwischen Mann und
Weib wird als eine prosaische Gemeinschaft der Geschlechter
aufgefaßt. Die Kunst ist zum entarteten Realismus geworden,
und religiöse und politische Umwälzungen haben die geistigen
Grundlagen aller Nationen erschüttert. Nur einzelne
Flecken, hier und dort, sind von den Verheerungen der drei
Flammen verschont geblieben. Die antinationalen Kriege in
Europa, die Klassenkämpfe in Amerika und die Rassenkämpfe
in Asien haben den Fortschritt um ein halbes Jahrhundert
aufgehalten. Aber hierauf, um die Mitte dieses
Jahrhunderts, sehe ich einen Heros der Kunst und Literatur
aus den Reihen der Romanen hervorgehen und die Welt
von den lästigen Schlacken des Sensualismus befreien. Es
ist das Licht des Symbolismus, welches die Flammen der
Fackeln der Gewinnsucht (des Kommerzialismus) überstrahlen
wird. An Stelle der Monogamie und Polygamie
von heute wird eine Poetogamie treten, ein auf eine
poetische Lebensauffassung sich gründendes Verhältnis der
Geschlechter.
Die Nationen sehe ich an Weisheit zunehmen und zur
Erkenntnis kommen, daß das verführerische Weib ihres Ver
*) Das wäre also dieselbe Ahnung, von der Hübbe-Schleiden's
großes Herz erfüllt ist (vergl. über den von ihm gegründeten
„Orden des Sterns im Osten" Okt. - Heft 1912, 8. 634 ff. und Juni-
beft er., S. 366). - Red,
£4*
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