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534 Psychische Studien. XL. Jahrg. 9. Heft. (Heptember 1913.)
Seiten jener Intelligenz in Betracht käme. Sobald deshalb
aus irgend einem Grunde eine Veränderung in den Bedingungen
oder eine Disharmonie in den Schwingungen der
einzelnen Teile usw. eintritt, entstehen Störungen in den
Prozessen; der betreffende Organismus gestaltet sich abnorm,
wird krank oder stirbt ab, ohne daß ein Eingreifen von
Seiten jener Intelligenz zu erwarten oder überhaupt denkbar
wäre. Endziel und Zweck des Weltprozesses ist, Geist
zu individualisieren in der menschlichen Psyche und damit
einen Keim, eine Möglichkeit zu schaffen zur Entwickelung
einer unsterblichen Wesenheit.
Die Urmaterie mit der ihr inhärierenden ursprünglichen
Bewegungskraft oder immanenten Funktion enthält poten-
tialiter alle denkbaren Formen, alle Modifikationen von
Kraft und alle Eigenschaften. Im Mineral reich wird
Stoff verfeinert bis zu dem Grade, um zur Erschaffung und
Entfaltung des Pflanzenreichs zu dienen. In den
Pflanzen verfeinert sich Stoff für das Tier reich, und dieses
schafft wieder die nötigen Atome und Elemente für die
höchste Form irdischer Entwickelung, den menschlichen
Körper, und für den vollkommensten Organismus,
die menschliche Psyche. In diesem Sinne ist die menschliche
Gestalt in materieller Hinsicht ein Fokus, auf dem
sich aller Stoff und alle Form verfeinert, konzentriert, und
seine Psyche in geistiger Hinsicht das Vollkommenste
auf Erden. Und jede Form und jedes Prinzip, in jedem
Reiche der Schöpfung, ist nur ein rudimentärer Teil zur
Bildung eines höheren Ganzen, — des Menschen. „ Alles
was entsteht, ist wert daß es zugrunde geht14 (Goethe) —,
um Vollkommeneres zu werden.
Die Entwickelung geht fortwährend durch alle Stadien
von Dasein vor sich, wodurch Stoff und Kraft, Form und
Bewegung immer mehr verfeinert werden. Bewegung
ist das belebende Prinzip des Mineralreichs, Leben das
des Pflanzenreichs, und Empfindung und Bewußtsein
das belebende Prinzip des Tierreichs; und alle im
Verein vervollkommnen sich progressive zur Entwickelung
von „Intelligenz44, dem Verstand der höheren
Tiere, wozu sich dann in der Psyche des Menschen noch
das göttliche Prinzip „ Ve rnunf t* gesellt — „ratio", die
rationelle Seele von Plato, die Buddln der Jndier, das
hebräische Ruach. Dadurch erst wird aus der Psyche des
Menschen ein Organismus, während alle Psychen der
Tiere nur als Organe zu betrachten sind. Das ganze
Tier-, Pflanzen- und Mineralreich ist nur eine einzige
Form im Verhältnis zum Menschen; denn sie besitzen
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