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552 Psychische Studien. XL. Jahrg. 9. Heft. (September 1913.)
ist, die er nach seinem Willen zu gestalten glaubt und doch, gleich
der Pflanze, ein Geschöpf des Bodens bleibt, der ihm seine Heimat
ist — und sein Grab. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der die
Gegenwart aus der Vergangenheit zu verstehen sich bemüht und
das heutige Italien im Geiste durchwandern möchte, um seine untergegangenen
Kulturen begreifen zu lernen. Der Verfasser, mein verehrter
Lehrer, wird ihm ein guter Führer sein.
E. W. Dobberkau.
Das Weltproblem vom Standpunkte des relativistischen Positivismus
aus historisch - kritisch dargestellt von Josef Petzoldt.
2. Aufl. 1912. Leipzig u. Berlin, Verlag von B. G. Teubner,
Oktav, 210 8. Preis geb. 3 M.
Zu den folgeschwersten Irrtümern menschlichen Denkens gehört
der Begriff einer absolaten Welt, die jenseits unserer Sinneswahr-
nehmungen liegen soll und die wir uns durch logische SchiuC-
folgerungen aus ihnen erst erschließen müssen. Diese Gedankengänge
führten zum Begriff einer Innen - und Außenwelt, zu einer
Trennung von Ich und Welt, Geist und Natur, Kraft und Stoff,
alles Begriffe, zu deren Annahme uns nichts berechtigt. Was wir
wahrnehmen, sind nur unsere Beziehungen zur Welt. Wir
empfinden nur, wie sie auf unsere Vorstellung einwirkt. Was uns
daraus bewußt wird, ist unsere Welt, aus der wir nicht heraus
können, die un*er ganzes Denken uud Sein umfaßt. Es ist müssig, einer
anderen Standpunkt zur Welt nehmen zu wollen, als wie wir ihn
innehaben; denn wir besitzen keine Erfahrungen darüber, wie die
Weit außerhalb unseres Ichs beschaffen ist; wir wissen nicht, welche
anderen Beziehungen zur Weit in ganz anders gearteten Wesen verwirklicht
sein können» Darum müssen wir uns bescheiden und
stets dessen eingedenk sein, daß wir einen viel zu winzigen Teil
der Welt wahrnehmen, als daß wir zu einer absolut - wahren Weltanschauung
" und - Erkenntnis gelangen könnten. Wir werden alles
menschliche Wissen und Denken nur für relativ wahr halten dürfen
und müssen abwarten, welche weiteren Beziehungen zur Welt sich
durch die biologische Fortentwickelung im Mensehen erschließen.
Als biologische Forteilt Wickelung sehe ich auch das nachirdische
Sein des Menschen an. E. W. D o b b e r k a u.
Einheit der Erkenntnis und Einheit des Seins von Lic. Dr. F. B.
Lipsius. Alfred Kröner Verlag, Leipzig 1913. Großoktav,
318 S. Preis brosch. 6 M., geb. 7 M.
Alle menschliche Erkenntnis strebt darnach, die Welt einheitlich
aufzufassen und su erklären. Früher geschah es, indem man
i n Gott und aus ihm die Welt einheitlich erklärte. Die moderne
Forschung gelangte zum kritischen Monismus und erkannte mit J.
Kant: „Ohne Einheit der Erkenntnis ist alles Wissen nur Stückwerk
." Alle Erkenntnis wird vom Bewußtsein einheitlich zusammengefaßt
. Was wir erleben können, ist, wie unser Ich die Welt erlebt
und sie sich vorstellt. Wir dürfen keine Trennung zwischen Welt
und Ich machen, denn wir kennen ja keine andere Welt, als die
wir im Ich erleben. Wenn wir logisch und kritisch die Erkenntnis
des Seins untersuchen, müssen wir einsehen, daß es eine Welt an
sich nicht für uns geben kann, sondern nur eine Welt-für uns.
Es ist auch unberechtigt, die Welt in eine bewußte und an sich unbewußte
zu scheiden. Denn „das absolut Unbewußte ist eine bloße
Fiktion und der Geist in Wahrheit überall der eine und der gleiche".
F. W. Dobberkau.
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