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574 Psychische Studien. XL. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1913.)
Chromosomen genannt, ansammelt. Diese Chromosomen sind
die Träger der Vererbung und erfahren in dem Vorgange
der Kernteilung die sorgfältigste Behandlung, und zwar
derartig, daß sieh jedes Stäbehen gleichfalls teilt und an
jeden der beiden Teilkerne eine Hälfte abgibt. Nimmt man
nun an, die Großzelle sei gleichfalls von einem dem Chromatin
ähnlichen Stoffe duiehsetzt, welcher also der Träger
der zu vererbenden Eigenschaften der Großzelle ist (religiöse
Organisation), so würde dadurch der Hang der Phantome
zu moralisieren und zu disponieren, sowie such das Problem
des Fernsehens unserem Verständnisse näher gebracht. Der
Rutengänger der Gegenwart, bewaffnet mit dem Wasserstabe
des Nomaden, dessen Form und Anwendung er übrigens
vergessen hat, blätterte nur im Gedächtnisse, dem Caromatin
der Großzelle; es neigt sich die Wünschelrute zur Erde
(Erirnerung an das Einstecken ins Erdreich), und das
Wasser ist gefunden. Es wurde faßbar, auf welchem Wege
der Schauer Kenntnis erlangt von räumlich und zeitlich
fernliegenden Gegenständen. Der um das Medium sich ansammelnde
Stoff wäre die Emanation vergangener Geschlechter
. Diese Emanation wäre materieller Natur,
unseren Sinnen gleichwohl nicht wahrnehmbar. Nur unter
besonderen Umständen erlangten wir Kenntnis Ihres Inhalts
und erweiterten dadurch unsere sinnliche Wahrnehmung
räumlich und zeitlich nach rückwärts. Diese vermehrte
Kenntnis erlaubte uns nun auch Schlüsse für die Zukunft
zu ziehen, die, obwohl natürlich und logisch, dennoch den
Charakter des Wunderbaren an sich tragen müßten. Damit
wäre nun auch die physiologische Grundlage der Wahrträume
, der Wahrsagerei und der Astrologie gegeben.
XI.
Ist die religiöse Genossenschaft über das Maß ihrer
natürlichen Grenzen hinaus gewachsen, so wird die Einheit
der Organisation erschüttert. Die Religion beginnt zu
degenerieren. Als Auflösungsprodukte bilden sich wie
immer niedrigere Formen. Soll nun ein neues Individuum
entstehen, so muß dasselbe nach dem Gesetze der Evolution
die Hauptphasen alter Kulturzustände in rascher Entwicke-
lungsfolge durchlaufen. Es spaltet sich das Priesterkollegium
(Geschlechtszellen ?). So erschien der Vorläufer
Christi. Johannes der Täufer repräsentierte eine Epoche
niedriger Kultur. Er kleidete sich in Tierfelle, wohnte in
der Wüste und aß wilden Honig und Heuschrecken. Seine
primitive Lebensweise weckte latente Erinnerungen an alte
Gewohnheiten und lenkte das Interesse eines kindlichen
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