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594 Psychische Studien. XL. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1913.)
größtmögliche Zahl von Tatsachen mit dem geringsten
Kraftaufwande an Gedanken darzustellen, genügt.
Ob die auf dem Prinzip der Sparsamkeit oder anderen
Voraussetzungen ruhende Wahrscheinlichkeitsberechnung der
Ursachen beanspruchen darf, den wirklichen Ablauf der Dinge
wiederzugeben, ist nur von einer letzten Weltanschauung
aus zu entscheiden, welche die höchsten Prinzipien wieder
einem bestimmten Gesichtspunkt unterordnet.
In der Verschiedenheit der Weltanschauungen, die bis
heute noch nicht geeinigt sind, liegt dahei die Wurzel des
Streites über die wirkliche Natur der „Pferdeseele* und
ihrer mathematischen Künste. Logisch sind alle Hypothesen,
ob sie den Pferden nun Intelligenz zu- oder absprechen,
gleichwertig. Aber nach dem Sparsamkeitsprinzip und der
mit ihm zusammenhängenden Wahrscheinlichkeit einmal der
Hypothese in sich selbst, dann im Verhältnis zu anderen
Hypothesen und endlich ihres Erklärungswertes, lassen sie
sich auch, abgesehen von den anderen allerletzten Voraussetzungen
, sehr wohl sachlich würdigen.
In erster Linie wird die Zufallshypothese, nach der das
regelmäßige sinnlose Zusammentreffen von Aufgabe und
Lösung rein zufällig ist, als nach dem sonstigen Naturverlauf
ganz unwahrscheinlich ausgeschaltet. Die Hypothese, daß die
Pferde wie Zirkusgäule auf heimliche Zeichen und Winke
dressiert sind, die ihnen absichtlich von dritten Personen
gegeben werden, steht mit der Ehrenhaftigkeit KralPs und
der Forscher, die in Abwesenheit KralFs ohne Kenntnis von
Tricks richtige Antworten erhielten, in Widerspruch. Ihre
Glaubwürdigkeit läßt sich nur durch unwahrscheinliche
Hilfshypothesen anzweifeln.
Bekannt ist die herrschende Hypothese unabsichtlicher
Zeichen und unbewußter Hilfen, mit der vor neun
Jahren O. Pfungst den „klugen Hans" des Herrn v. Osten
entlarvt zu haben glaubte. Hat der Experimentator dem
Pferd eine Aufgabe gestellt, beugt er den Kopf in Erwartungsspannung
ein wenig vor, und das Pferd beginnt zu
treten. Ist die gewünschte Zahl erreicht, macht der „entspannte
* Fragesteller einen Ruck nach oben, für darf Pferd
ein Signal, das Treten einzustellen. — Diese Hypothese ist
wegen der Kleinheit der Kopfrucke, die durchschnittlich
1 Millimeter betragen, nur durch besondere Hilfsannahmen
über die Sehfähigkeit des Pferdeauges zu halten. Sie wird
auch durch die neuesten Forschungen der Professoren
Kraemer, Ziegler und Olaparede und der Doktoren Sarasin,
Mackenzie und Assagioli widerlegt, deren Versuche selbst
dann gelangen, wenn sich sämtliche Anwesende aus dem
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