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Raschig: Schlaf, Träume und Bewußtsein. 601
in Unruhe und in Befürchtungen, daß eine Katastrophe,
ein „Herzschlag* eintreten könnte, welcher dem totalen
Umschlag beider Gleichgewichte gleich kommt.
Es sei noch an das Lachen erinnert. Dieses wird
hervorgerufen durch humoristische Wirkungen bei den
Wechselreden der Menschen und zwar durch unwillkürlichen
Humor, wie er oft seitens der Kinder in Schule und
Haus veranlaßt wird, oder durch beabsichtigten Humor
seitens der Witz- und Scherzmacher im geselligen Verkehr
der Menschen. Aller Witz oder Humor beruht auf irgendwelchen
Kontrastwirkungen, z. B. auf dem Kontraste der
Verhältnisse der Dinge oder Personen — wie ein Kind,
das die zu großen und zu weiten Kleidungsstücke eines
Erwachsenen angezogen hat —, oder auf dem Kontraste
zwischen Form und Inhalt einer Rede, oder zwischen Inhalt
und Ton einer Rede, oder dem verschiedenen Ton und
Ausdruck zweier oder mehrerer Sprecher — Lustspiele —
oder auf dem Kontraste zwischen mehreren Bedeutungen
desselben Wortes — Wortspiele genannt —, oder auch die
oratorische Wirkung glänzender Antithesen oder auffallender
Paradoxen. Im Momente, wo der Scherz „zündet" ist es
oft^ als hätten sich zwei oder mehrere Personen des geselligen
Kreises gegeneinander gestemmt, wie beim Ringen,
und plötzlich gibt einer nach — und die andern fallen hin,
dasselbe aber psychisch gedacht, ein geistiges Balgen und
Ubereinanderpurzeln. Jedenfalls haben diese Kontrastwirkungen
immer für die eine Partei der Gesellschaft eine
befreiende Wirkung, sie lösen explosionsartig Entspannungen
im Nervensystem aus, die das Zwerchfell erschüttern
, und so hat man auch hier die auffallende Wechselwirkung
zwischen psychischen und vegetativen Vorgängen.
Andererseits beeinflussen auch die vegetativen Prozesse
das Denken; das kann man am besten während und
nach längerer Essepszeit beobachten. Eine fröhliche Gesellschaft
sitzt beim Mahle; die wohlschmeckenden Speisen
wollen durch den Magen verdaut sein, wobei letzterer noch
durch Wein oder andere anregende Getränke unterstützt
wird. Warum ist da gewöhnlich die Unterhaltung besonders
launig? Es ist nicht bloß der Wein — der ja auch oft
fehlt —, sondern überhaupt die beginnende Verdauungstätigkeit
des Magens, die in den Köpfen der Tischgäste
möglichst regellose, wie kleine balgende Jungen über- und
untereinander purzelnde Gedanken auslöst und so den
Hnraor der Tischgespräche oder der Toaste, ja die allgemeine
Begeisterung für solche Ansprachen hervorruft. Umgekehrt
wird das Geschäft der Verdauung durch solche launige
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