http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1913/0630
I
626 Psychische Studien. XL. Jahrg. 11. Heft. (November 1913.)
an ein Weiterleben unserer Individualität, und Paraeelsus,
der theosophisehe Arzt des Mittelalters, sowie Swedenborg,
der Geisterseher, handelten in der Gewißheit die Beihilfe
tiberirdischer Mächte und Schutzengel zu genießen bei der
segensreichen Anwendung ihres okkult durchleuchteten und
-gestützten Wissens.
Oder wie? Mußte nicht ein Giordano Bruno seinen
Geisterglauben mit dem Tode bezahlen, während es Cag-
liostro vermutlich nur durch Schlauheit — nach einer
andern Lesart durch den Beistand besonders wohlwollender
Geister — gelungen ist, sein Leben einem vorzeitigen
Ende zu entziehen? — Tatsächlich befaßten sich alle die
alten Nekromanten und Theurgen mit Geisterzitation, und
die damals betriebene Dämonologie, bezw. Angelologie, die
damit, einhergehende schwarze Magie hat leider dem sonst
künstlerisch so fruchtbaren Mittelalter ein höchst fatales
Odium zugezogen durch die Unwissenschaftlichkeit und den
Mißbrauch, mit der die Ausübung dieser Künste verbunden
gewesen ist.
Allein auch die chronologisch nun folgenden scharf
denkenden, fein empfindenden und exakt und logisch vorgehenden
Gelehrten, Männer, wie Kant, Lessing und andere
Erkenntnistheoretiker, begannen ihr Augenmerk auf die
Ergründung der erstaunlichen Phänomene und die diese
erzeugende übersinnliche Kraft einzustellen, und sogar ein
Goefche, der Geistesfürst, verschmähte es nicht, angeregt
durch verschiedene wunderbare eigene Erlebnisse, deren
Möglichkeit alle bekannten physikalischen Gesetze in Frage
bringen mußte, sich dem Studium des Okkultismus zuzuwenden
. —
Indeß, bald gewaltsam geschürt, bald durch Notwehr
veranlaßt, dann wiederum stetig weiterglimmend, loderte
jetzt hellauf der Kampf um Dogma - Glauben und Aufklärung
. Die Erfindungen der Zeit, die Erleichterungen
des Verkehrs und Handels durch Eisenbahn und Dampfschiffahrt
hatten auch eine Erschwerung der Lebensexistenz
bedingt durch die ständig anwachsende Konkurrenz und —
in natürlicher Konsequenz des Empfangenen! — eine Zunahme
der persönlichen Bedürfnisse im Gefolge gehabt.
Mit der überhandnähme der Luxusmöglichkeiten wurde
darum die Lebensanschauung immer mehr vom Materialismus
beeinflußt und dem Glauben an den Fortbestand
unserer Seele schwand vollends aller Boden. Als jedoch
Justinus Kerner die Welt von seinen in der „Seherin von
Prevorst" niedergelegten Beobachtungen in Kenntnis setzen
wollte, betrachtete man diese Gabe günstigen Falles als
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1913/0630