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Tiedemann: Merkwürdige Hundegeschichten. 719
Da bringe ich dir für deine Güte das Schönste, was ich
auftreiben kann.* Hm, hm, hm!*) —
Ein in Bukarest ansäßiger Ingenieur erzählt Folgendes:
„Ein hiesiger Drogist besitzt einen irländischen Setter von
reinster Rasse. Der Hund liegt meistenteils im Laden, hat
aber seine bestimmten Ausgehstunden und erhält jeden
Nachmittag um 4 Uhr von seinem Herrn einen Sou. Man
hat ihm schnell beigebracht, mit dem Sou im Maul zu
einem Mann in der Nähe zu gehen, der unter freiem
Himmel sogenannte Placintas, eine Art Fleischklopse, verkauft
, den Sou auf das Tablett zu legen und dafür eine
Placinta in Empfang zu nehmen. Der Setter ist deswegen
schon stadtbekannt, und mancher Kunde seines Herrn
macht sich öfter den Spaß, ihm auch außerhalb der regelmäßigen
Zeit einen Sou zwischen die Zähne zu stecken,
worauf der Hund sofort zu dem Straßenhändler läuft und
sich den geliebten Leckerbissen holt. Als nun kürzlich der
Setter wieder einmal bei dem Händler vorsprach, steckte
dieser zwar den Sou ein, verabfolgte aber dem Hunde aus
Mutwillen die Placinta nicht. Der Setter war anscheinend
ganz fassungslos, er verstand die Welt nicht mehr und
schlich nach vergeblichem Warten traurig davon. Als er
bald darauf wieder einen Sou erhielt und zu dem Händler
lief, legte er diesmal nicht, wie sonst immer, das Geldstück
auf das Tablett, sondern in einiger Entfernung von dem
Mann auf das Pflaster hin und hielt es solange mit der
Pfote fest, bis ihm die Placinta gereicht wurde. Er war
mißtrauisch geworden und wollte sich nicht wieder foppen
lassen. * —
Eine in Algerien lebende Dame weiß von ihrem Dachshund
„Driff* folgende hübsche Geschichte zu berichten:
„Trotz aller Ermahnungen entweicht „Drift" von Zeit zu
Zeit, um sich mit den Gassenhunden der Eingeborenen
zu raufen, und eines Tages kam er von einer solchen
Exkursion in kläglichem Zustand zurück. Mein Mann
wollte dem Herumtreiber einmal eine gründliche Lektion
erteilen und griff zur Peitsche; aber da er sah, daß der
Hund hinkte, wurde er schnell besänftigt und pflegte seine
Bißwunden. Ein andermal war Driffchen wieder ausgekniffen
, und als er zurückkehrte, sollte es nun endlich
Prügel geben. Kaum sieht „Driff* die Peitsche, da fängt
er zu — hinken und zu wimmern an, als ob er wieder ge-
*) Gar nicht undenkbar! Operierte Hunde schlecken ja auch
ihrem Arzt zum Dank, bezw. um ihm zu schmeicheln geflissentlich
die Hand ab. — lled.
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