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722 Psychische Studien. XL. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1913.)
Eindruck auf den braven Wauwau gemacht: er „wäscht"
sich mit den Vorderpfoten genau wie eine Katze, und wenn
er auch dabei nicht so viel Grazie aufbringen kann wie
seine Lehrmeisterin, so fehlt es ihm doch nicht an gutem
Willen und Gewissenhaftigkeit.
Bei der Trancezeichnerin.
Von Oskar Anwand.*)
Ach ja, es treten wieder allerhand Gestalten, die mit
mysteriösen Kräften begabt sein wollen, an die Öffentlichkeit
. Denn wir leben in der Zeit einer neuen Romantik,
die auf die Epoche eines überheblichen Materialismus in
Kunst und Wissenschaft gefolgt ist. Romantik in der
Dichtung, Romantik in der Malerei, während Impressionismus
und Neoimpressionismus ihr Ziel in fast mathematischphysikalischer
Zerlegung des Lichtes sahen, Romantik auch
in der Wissenschaft! Und man kann bemerken , daß das
religiöse Empfinden zu erstarken beginnt. Das alles hat
sein Gutes, denn schließlich „es ist der Geist, der sich den
Körper baut", und diesen Geist sucht die Romantik auf.
Im Gegensatz zum Naturalismus und der Aufklärung hebt
sie die verborgenen, unbewußten Kräfte hervor und weist
auf ihr Wirken hin. In der Epoche, die ja den Namen
„Romantik" führt, erteilte Heinrich von Kleist vor einem
Jahrhundert dem Somnambulismus, Xaehtwandlertum und
Traum wesen, z. B. in seinen Dramen des „Prinzen von
Homburg" und „Käthehen's von Heilbronn" eine bedeutsame
Rolle, und E. Th. A. Hoffmann rief die Geiser und Geister-
chen wach. Auch wird zweifellos unsere Kunst, Wissenschaft
und Technik gerade dadurch bereichert, daß Neues,
bisher Ungekanntes, Verborgenes oder Unbeachtetes in den
Lichtkreis des Bewußten tritt. Und immer wieder gibt es
zahlreiche Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen
sich unsere Schulweisheit nichts hat träumen lassen. Aber
bei diesem Aufreißen der Pforte zwischen Bewußtem und
Unbewußtem drängen sich gern allerhand Leute mit, deren
ganzes Bartum in inhaltlosen Gesten besteht. Das brauchen
nicht immer Betrüger zu sein, obgleich es auch an ihnen
nicht fehlt, es gibt auch Selbst-Betrogene. Denn mancher
schmeichelt sich gar sehr damit, Verkehr mit Geistern oder
Geisterstimmen zu pflegen, der dem Alltagsmenschen ver-
*) Entlehnt der „Deutschen Tageszeitung" Nr. 468 (1 Beiblatt)
vom 15. Sept. 191B. — ßed.
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