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734 Psychische Studien. XL. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1913.)
als solche, sondern lediglich die subjektiven Gedanken,
bezw. die mit einer bestimmten Vorstellung verbundene
Willensmacht des Pendelnden den Pendel in einer bebestimmten
Richtung in Bewegung setzt, bliebe u. E. das
Verdienst des Herrn Kallenberg und seines schönen Buches
in der Hauptsache ungeschmälert. Denn wenn er sich auch
in der Deutung des wanderbaren Phänomens im ersten
Eifer des Entdeckers getäuscht und über das Ziel des
ruhigen Prüfers hinausgeschossen haben sollte, so war es
doch von hohem wissenschaftlichem Wert, die Aufmerksamkeit
der Forscher auf das uralte*) und noch heute
fesselnde, physiologisch aber bis jetzt noch ungelöste
Pendelproblem auf Grund vielseitiger, zum Teil einzigartiger
Versuche in verschiedenen Ländern hingelenkt und andere
Denker zu eigenen Experimenten als Wegzeiger angeregt
zu haben. Auch Prof. Dr. von Grützner erhielt vom Studium
des Kallenberg'schen Buches den Eindruck, daß,
wenn auch der Verfasser sich wohl von seiner lebhaften
Phantasie zu vorschnellen Schlüssen hinreißen ließ, manche
dort angeregten Versuche bedeutendes Interesse bieten; so
wäre namentlich eine Bestätigung der auf S. 40 berichteten,
von Kallenberg am 14. Juni er. angeblich beobachteten Tatsache
, daß der Pendel in ungezwungenster Form das Geschlecht
ebenso des unbebrüteten, wie des bebrüteten Eies
anzeige, nicht nur von außerordentlichem praktischem
Nutzen für die Geflügelzüchter, sondern zugleich wissenschaftlich
sehr wertvoll, weil ja hierbei jede Autosuggestion
subjektiv ausgeschlossen erschiene. Übrigens bestreitet
Herr Kallenberg selbst das Hervorrufen bestimmter Pendelfiguren
durch Konzentrierung des Gedankens keineswegs,
will aber (S. 59) diese autosuggestive Einwirkung nicht auf
die Schwingungen des Pendels ausgedehnt wissen. Die
Entscheidung hierüber können nur fortgesetzte zahlreiche
*)Außer dem auf S. 461 zitierten klassischen Buch von J. K. Bähr
„Der dynamische Kreis ' (jetzt durch O. Matze, Leipzig, für 25 M., statt
50 M. zu beziehen) verweisen wir auf die wohl manchem Leser bekannte
Tatsache, daß in den vierziger Jahren» des vorigen Jahrhunderts
der (auch von Herrn Kaindl schon angeführte) englische
Arzt Prof. Dr. Herbert Mayo, der Autor des Buches: „Wahrheiten
im Volksaberglauben" (Leipzig, Brockhaus 1854) zu Boppard
und Mainz bereits Versuche mit dem siderischen Pendel anstellte.
Er nannte den Apparat „das Odometer oder der Wünschelring«
(12. und 13. Brief, S. 227—270). Auch Goethe hat bekanntlich damit
experimentiert und an das älteste Beispiel eines „Ringorakels",
das Ammianus Marcellinns aus der Zeit des Kaisers Valens (Ende
des 4. Jahrhunderts n. Chr.) erwähnt, hat kürzlich wieder (8. 625
des Nov.-Hefts) unsere Mitarbeiterin Zanzinger erinnert. — Eed.
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