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10 Psychische ötudien. XLI. Jahrgang, 1. Heft. (Januar 1914.)
unwiderleglich gewonnen sei, dann sind dieselben nach
meiner Meinung sehr im Irrtume. Selbst der ungeheure
Schritt vorwärts, den wir dank der Experimentalforschung
Dr. v. Sehrenck's in der Erforschung der Materialisations-
Phänomene gemacht haben, hat die spiritistische Hypothese
nicht als absolut falsch erkennen lassen. Ich sage
dies mit aller Offenheit, selbst auf die Gefahr hin, von
mancher Seite mißfälliges Kopfschütteln zu ernten. Vor
allem ist zu bemerken, daß die ideoplastische Fälligkeit des
Mediums noch ein wenig bekanntes, dunkles Gebiet unserer
Forschung ist. Die Laien, welche heute das Wort so leichthin
gebrauchen, als handle es sich um selbstverständliche
Dinge, wissen meist gar nicht, wie kompliziert der Vorgang
ist und welche Schwierigkeiten hierbei zu überwinden sind.
So muß doch das Medium die Idee zur Darstellung zuerst
in seinem Unterbewußtsein aufgenommen und verarbeitet
haben; hierauf bedarf es einer außerordentlichen psyeho-
phydschen Willensanstrengung, um die übrigens auch noch
rätselhafte Materie für das Ektoplasma auszustoßen, und
nun muß überdies die künstlerische Verarbeitung desselben
erfolgen. Wie häufen sich aber die Schwierigkeiten, wenn
das Medium die künstlerische Idee und Produktion aus
dem Unbewußten einer zweiten Person entnehmen muß!
Wie gesagt, ein Heer von heute noch gänzlich ungelösten
Fragen stürmt auf den Forscher ein, dem nichts übrigbleibt
, als nach dem Beispiele unseres Autors die Tatsachen
ohne Rücksicht auf irgend welche Theorie oder Hypothese
zunächst einwandfrei festzustellen.
Die triumphierenden Animisten möchte ich aber noch
auf einige Punkte aufmerksam machen die nach meiner
Ansicht wichtig genug sind, mit in Rechnung gezogen zu
werden, wenn man doch einmal die Hypothesen-Frage aufrollt
. Zunächst konstatierten die Experimentatoren wiederholt
, daß die Phänomene durchaus nicht von dem Willen
des Mediums allein abhingen, und „daß bei ihrer Entstehung
noch andere, uns ganz unbekannte Faktoren mitwirken".
In ihrem Zustande des Somnambulismus gibt das Medium
Eva C. selbst an: „Nicht ich bin es, wejche produziert oder
schafft; es ist etwas von mir Unabhängiges („une Entitd",
also ein Wesenj, das von mir die Materie entleiht und aus
meinem Körper herausgehen kann'' . . . „Auch behauptet
sie, sich einer unbekannten Macht, welche sie dirigiert, zu
unterwerfen. Sie weiß daher niemals, ob sie produzieren
kann oder nicht; sie betrachtet sich lediglich als Maschine.
Wiederholt sagte das Medium, nachdem es eingeschläfert
war, bereits im Trance: „Er ist da, er ist da, sieh doch,
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