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Kaindl: „Photographierte Geister."
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ohne die nötigen Vorkenntnisse auf ein ihnen völlig neues
und fremdes Untersuehungsgebiet begaben.
Die von Dr. Schrenek's Gegnern vorgebrachten Betrugshypothesen
sind von so gewagter, beinahe ans Wunderbare
grenzender Art, daß man Ersterem wird beistimmen müssen,
wenn er erklärt, daß es nun nicht mehr an ihm sei, weitere
Beweise für die Tatsächlichkeit der von ihm beobachteten
Phänomene beizubringen, sondern daß im Gegenteil seine
Gegner verpflichtet seien, für ihre hyperbolischen Erklärungen
den experimentellen Nachweis zu liefern.
So lange dies nicht geschehen ist, wird jeder besonnen,
unbefangen und vernünftig denkende Mensch sich für
Dr. Schrenck entscheiden müssen; nicht nur weil eine langjährige
Erfahrung und eingehende Prüfung mehr in?s Gewicht
fällt, als sporadische und flüchtige Beobachtungen,
sondern weil auch seine ideoplastische Hypothese vernünftiger
ist, als die grassen Betrugshypothesen seiner
Widersacher. —
Um dem Leser ein selbständiges Urteil zu ermöglichen,
mögen von den letzteren zwei in Kürze hier angeführt
wefden. Die Erklärung des D, med. v. Gulat-WellenW)
gründet sich auf eine Virtuosität im Verschlucken und
Heraufwürgen (Rumination).
Er sagt: „Es ist ganz einfach f!| so: Auf Chiffongaze,
deren Appretur vorher in heißem Wasser ausgewaschen wird,
werden Bildnisse gezeichnet, gemalt oder photographisch
i eproduziert. Diese Bildnisse werden dann, den Konturen
folgend, ausgeschnitten. Dasselbe kann auf Goldschlägerhaut
geschehen. Diese bat den Vorteil, gegen Feuchtigkeit (Speichel
und Magensaft) unempfindlich zu sein. Sie ist außerdem
sehr dünn, daher zusammengelegt nicht kompendiös, weich,
geräuschlos und trägt keine Spuren von an ihr geschehener
Faltung, Knitterung und Rollung. Solcherlei Dinge werden
vor dem Experiment verschluckt. Es lassen sich außerdem
durchscheinende Operationsgummihandschuhe, bandartig ausgeschnittene
Objekte aus den obgenannten Materialien und
amorphe, d. h. formlose Fetzen aus dem Bauchfellnetze von
Tieren, ebenso aufblasbare Darmschlingen (von Lämmern
und Katzen) alles zusammen in einen und denselben menschlichen
Magen hinabschlucken. Der Experimentator kann
diese Dinge äußerlich am Menschen nicht finden und selbst
*) S. „Neues Wiener Tagblatt* v. 29. November 1913: Offener
Brief an die Redaktion der „Münchner Neuesten Nachrichten*, aus
der am 28. November erschienenen Nummer dieses Blattes von jenem
abgedruckt.
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