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Kurze Notizen.
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wiederfinden werde, gelebt habe. Sie gab die näheren Umstände
(Geschlecht, soziale Stellung, Nationalität usw.) ausführlich
an und behauptete, an einer bestimmten Krankheit
vor vielen Jahren gestorben zu sein. Diese Angaben fand
nun Dr. G. Durville, der die Zeugnisse dafür sammelte,
bestätigt. Die Dame selbst war im März nach Italien gereist,
erkannte dort das Land, wo sie vordem gelebt habe, und
fand in der Umgebung von Genua das von ihr früher
beschriebene Haus mit Unterstützung eines gelehrten Psy-
chisten von Genua namens Calame. In der Pfarrei von
San Francesco d'Albaro fand sich auch im Kirchenregister
die Todesurkunde der angeblichen Frau Raynaud Nr. I.
Eine hellsehende Somnambule entdeckte noch sonderbare,
vorher unbekannte Einzelheiten über das Begräbnis der
Letzteren, die verifiziert wurden, und stellte so den Zusammenhang
zwischen Mme. Raynaud I und II fest. — Wir
empfehlen dieses ntme Bruderorgan der angelegentlichen
Aufmerksamkeit unserer Leser.
c) Eine chinesische Helen Keller. Alan
schätzt die Zahl der Taubstummen in China auf 400000;
wie viele davon blind SK*d, wird nicht angegeben, aber unter
diesen Taubblinden ist eine andere Helen Keller entstanden,
wie die in Philadelphia erscheinenden „Sunday-School Times *
zu erzählen wissen. Auch hier ist eine Seele ans der tiefsten
Dunkelheit der Sinne errettet worden, und lebt nun im
Lichte des geistigen Sehens, in dem sie sich weiter und
reicher entfalten wird. Miß Carter ist die Lehrerin der
„chinesischen Helen Keller", dei kleinen Wang Fung-Ying.
Wie die amerikanische Taubblinde sich ohne die bewunderungswürdige
Geduld ihrer Lehrerin Miß Sullivan nicht
zu dem modernen Weltwunder * entfaltet hätte, so verdankt
auch die kleine Chinesin ihrer Lehrerin alles. Vor zweieinhalb
Jahren kam sie als ein dumpfes, unbeseeltes Geschöpf,
dessen innere Qualen sich in wilden Wutausbrüchen äußerten,
nach der Taubstummenschule in Schef u, die Miß Carter zusammen
mit einer chinesischen Lehrerin Mrs. Sen gegründet
hat. Drei Monate dauerte es, bevor das Kind so weit war,
das Wort „Puppe", das man ihr im Blindenalphabet in die
Hand buchstabierte, mit dem Gegenstand zu identifizieren,
den man ihr in die Hand gelegt hatte. Als dann erst ein
wenig Licht in dies dunkle Gehirn gebracht war, da ließen
die Wutanfälle der Kleinen nach; sie lernte schneller und
hatte nach 10 Monaten sich die Braille'sche Blindenschrift
angeeignet. Nach einer zweieinhalbjährigen Ausbildung bewegte
Fung-Ying sich sicher und höchst manierlich, und
hielt sogleich die Handflächen hoch, um von ihrer Lehrerin
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