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82 Psychische Studien. XLI. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1914.)
Der Gelehrte schildert nun, wie er in Abwesenheit des
Hellsehers auf 3 Zettel die Sätze schrieb: 1. Trüb? nie den
Brunnen, der dich tränkte, Wirf keinen Stein hinein. —
2. 15. November 1849. — 3. Afar ata weel afar teschub.
„Ich faltete darauf die Zettel achtfach zusammen und
nahm zwei in meine linke, ^inen in meine rechte geschlossene
Hand. Dann ging ich zur Tür, öffnete sie und rief H.
herein. Er schloß die Tür hinter sich und trat neben
meinen Schreibtisch, an dem ich mit den Zetteln in den geschlossenen
Fäusten Platz genommen hatte. H. sagte mir
dann, ich möge einen der drei Zettel irgendwo im Zimmer
hinlegen und nur einen in jeder Hand behalten, damit er
mir jeden Zettel für sich vorlesen könnte. Ich legte darauf
einen der beiden in der linken Faust befindlichen Zettel
abgekehrt von H. unter die Schreibunterlage meines Tisches.
Dann fragte H.: „ „ Welchen Zettel soll ich nun zuerst lesen ?
Den in der rechten, den in der linken Hand oder den unter
der Unterlage ? * *
Ich selbst wußte nicht, welches der Inhalt des rechten,
des linken und des dritten Zettels war, da ich sie alle
gleich zusammengefaltet und geschlossen in die Hände genommen
hatte. Ich antwortete also auf seine Frage: „„Lesen
Sie mir den Zettel, den ich hier in der rechten Faust
halte lu* — und zeigte ihm die geschlossene rechte Faust.
Dabei beobachtete ich H. Er sah nicht auf meine geschlossene
rechte Faust, sondern starrte schräg nach oben
an mir vorbei ins Leere; dabei wurde er blaß, in der
rechten Hand hielt er einen Bleistift, den er von meinem
Schreibtisch genommen hatte, und kritzelte damit auf das
Papier eines Notizblockes zitternde Striche und Punkte.
Nach kaum einer Minute sprach H.: „„Trüb ein"*--
„„Nein," sagte ich, „der erste Buchstabe des Wortes
ist ein n, der letzte Buchstabe des Wortes ist ein e.*a
„„Ach so, ja,1144 antwortete H. und las schlank den etwas
undeutlich mitJ deutschen Lettern geschriebenen Talmud-
vers vor, den ich in zwei Wortreihen in kleiner Schrift
auf dem vielfach zusammengefalteten Zettel in der rechten
Faust hielt.
Ich muß gestehen, daß mir eine Art Gänsehaut über
den Rücken lief, als ich den Zettel aus der Hand auf
meinen Schreibtisch warf und ihn geöffnet hatte.* —
Der Gelehrte teilt dann das Gespräch mit, in dem
ihm der Hellseher schildert, wie er die Schrift sieht: er
macht Angaben über weitere Versuche und veröffentlicht
auch die Gutachten einiger Ärzte. Die Abhandlung wird
allgemein großes Aufsehen erregen, da es das erste Mal ist,
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