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96 Psychische Studien. XLT. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1914.)
In der Wissenschaft ist es ja auch sonst nicht der
Brauch, alle früheren Studienergebnisse einfach in den
Wind zu schlagen und die Untersuchung irgend eines
Gegenstandes immer wieder von neuem zu beginnen. Man
verschmäht es, die Kenntnisse und Erfahrungen eines Dr.
Mayo, du Prel etc. dabei zu rate zu ziehen, weil diese
Forscher keine Monographie der Wünschelrute geliefert
haben, die auf eine isolierte Beobachtung basiert wäre,
sondern weil sie bei ihnen nur in Zusammenhang mit
anderen Erscheinungen zur Sprache kommt, die man weiter zu
ignorieren trachtet. Aber auch Prof. Barrett wird ver-
nachläßigt, obgleich er die sogenannte Wünschelrute zu
seinem Spezialstudium gemacht hat und dessen Ergebnisse
in dem XXXII. Band der „Proceedings of the S. f. ps. R."
veröffentlicht hat.
Die Phänomene der Wünschelrute, die Mayo mit jenen
des Odometers oder siderischen Pendels als ein Problem
betrachtet, gehören ebensowohl in das Gebiet des Somnambulismus
, wie die Materialisationen. Nach Schelling
und Kieser sind Metali- und Wasserfühler Sensitive und
Sensitivität ist nur ein geringerer Grad von Somnambulismus
. Nach du Prel ist bei solchen die odische Perzeptivi-
tät, die eine Eigentümlichkeit des Somnambulismus bildet,
in einem geringen Grade vorhanden; infolge dieser erhöhten
Eindruckserapfänglichkeit werden aber nicht nur
verschiedenartige odische Einflüsse empfunden, sondern
auch solche suggestiver Art, welche letztere aber die
erstere Fähigkeit beeinträchtigen oder aufheben können.
Die äußeren odischen Einflüsse hängen in Bezug auf ihre
motorische Reaktion von einer Autosuggestion ab, d. h. sie
tritt nur für den gewünschten Einfluß ein. Dieser Einfluß
wird nur dann richtig empfunden, wenn keine störenden
Sugerestivwirkungen dazwischen treten. Die motorische
Reaktion äußert eich entweder durch unwillkürliche
Muskeltätigkeit (Antomatismus) oder durch odo-dynami-
sche Wirkung, wie beim Tischrücken, d. h. die Bewegungen
der Rute oder des siderischen Pendels werden entweder
durch unwillkürliche Muskeltätigkeit odfcr durch die auf
diese Gegenstände übertragene odische ßewegungskraft
direkt bewirkt.
Dr. Mayo, der viel mit dem siderischen Pendel oder,
wie er es nennt, „Odometer" experimentierte, kam bei ihm
zu dem Schlüsse, daß es durch das Spiel seiner Muskeln in
Bewegung versetzt werde. Auf Grund dieser Beobachtung
bildete er sich die Ansicht, daß seine sensitiven Nerven,
wider sein Wissen, unter solchen Umständen gewisse
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